Siemensbahn – Lost Place

Für Berliner und Bahnfreunde wird es sicherlich ein Begriff sein. Doch möchte ich auch allen, welche sich damit nicht beschäftigen, erklären, wo wir uns heute rumgetrieben gaben. Die Siemensbahn ist ein ehemaliger S-Bahn-Abschnitt von Jungfernheide nach Gartenfeld in Berlin. Warum heißt es nun Siemensbahn? Diese Bahnstrecke bauten einst Siemens & Halske ohne das Zutun der Bahn, um die Mitarbeiter besser in das dort ansässige Firmengelände bringen zu können. Dazu errichteten sie zuerst einen Stopp am Fürstenbrunner Weg an der Bahnlinie Richtung Spandau. Der Weg zu Firma war aber nicht optimal und das Werksgelände wurde zunehmend nach Norden erschlossen.

So reifte der Entschluss, eine neue Strecke zu bauen. Damals waren ja Autos nicht unbedingt jedem geboten. Siemens baute also die Strecke auf eigenem Land und die Bahn möge doch nur den Betrieb sicherstellen. Um das Werksgelände nicht zu zerschneiden, ist das Meiste als Viadukt ausgeführt worden. Zu dieser Zeit fing man in Berlin gerade an, die Bahn zu elektrifizieren. Diese Strecke wurde gleich von Anfang an für den elektrischen Betrieb konzipiert. 1929 fuhren die ersten Züge mit wachsender Nutzung. Gut, meistens waren das die Arbeiter der Siemensstadt – doch so war es ja auch gedacht.

Wir sind gerade so ein wenig in Berlin unterwegs und standen plötzlich vor dem geschlossenen Bahnhof Siemensstadt.

Die Brücke über den Rohrdamm

Wir wollten eigentlich nur ein paar Fotos machen, doch neben dem Bahnhof fehlte der Zaun. Den Reiz den Bahnhof zu sehen konnte ich nicht widerstehen.

Es ist kaum vorstellbar, dass hier einmal ein quirliges Leben herrschte.

Der Zugang ist noch genauso wie er 1980 verlassen wurde, mal abgesehen von den „Verschönerungen“ einiger Street-Art „Künstler“. Warum wurde die Strecke still gelegt, mögen sich manche Fragen. Hier ist es nicht die Mauer mitten auf der Strecke. Doch mit der Teilung Berlin hat es schon etwas zu tun. Einer der merkwürdigsten Paragrafen in dem Vertragswerk war sicherlich der, dass die Reichsbahn weiterhin Eigner der Bahnstrecken und des rollenden Materials darauf bleibt. So gehörte das Gelände sozusagen dem Osten, welcher auch den Betrieb sicherstellte. Zwei Faktoren führten nun zu Schließung. Zum Ersten verlegte Siemens seine Zentrale und zum Zweiten wurden die Westberliner Angestellten der Reichsbahn quasi nach Osttarif bezahlt. Überschweifende Gelage waren damit nicht möglich. Nach einem Streik zog die Reichsbahn dann die Reißleine, was zur Stilllegung führte.

Blick in Richtung Gartenfeld. Die Zeit für diesen Bahnhof scheint abgelaufen.

Wir entschließen uns der Strecke ein wenig zu folgen Richtung Jungfernheide. Vorerst ist sie auf einem Damm. Auf den ersten Blick sieht es auch nicht so lange aufgegeben aus. Doch die kleinen Bäumchen zwischen den Stromschienen verraten…

Die Schutzabdeckung der Stromschienen erfüllt auch nicht mehr die heutigen Standards. Zugegebener Maßen größtenteils durch ihr schlichtes Fehlen.

Ab dem Popitzweg geht es in das Viadukt über. Schon ist der Bahnhof Wernerwerk zu erahnen.

Die Brücke über den Siemensdamm.

Junges Grün fährt rechts und links ein.  Schon beachtlich wie die Natur es schafft sich Territorien zurückzuerobern. Zu Betriebszeiten wurde ja tunlichst vermieden, etwas zwischen dem Schotter gedeihen zu lassen. Klar würde das einer reibungslosen Zugfahrt etwas im Wege stehen, doch was dafür so alles in das Gleisbett gekippt wurde. Da war man nicht zimperlich.

Warum der Bahnsteig so lang, entzieht sich meiner Kenntnis. Fuhren den hier nicht zuletzt nur einzelne und vor allem kurze Züge.

Nun verläuft das Viadukt über dem Gelände des ehemaligen Wernerwerkes.

Wir sind schon sehr nah der Brücke über die Spree.

Der erste Teilabschnitt der Brücke ist noch vorhanden. Der zweite Teil wurde 2005 beim Neubau der Schleuse Charlottenburg abgerissen. Auch im Krieg wurde dieser Teil erheblich zerstört. Doch damals war man sich noch über die Notwendigkeit dieser Strecke bewusst und errichtete die Brücke erneut. Sicher ist auch nicht unerheblich, dass Siemens einige Leistungen für die Bahn übernahm.

Der Blick Richtung Rudolf-Wissell-Brücke

Wir kehren um. Die Zukunft dieser Strecke ist sehr ungewiss. Letztes Jahr wollte die Bahn das Gelände endgültig loswerden. Viel wird daran nun wirklich nicht gemacht. Von den genannten Aufwendungen für die Erhaltung sieht man auch bei aufmerksamster Erkundung so gut wie nichts. Der Berliner Senat wollte sich dafür nicht durchringen und so ist das immer noch Bahngelände. Das ganze Ensemble ist ja auch schon seit 1995 unter Denkmalschutz gestellt. Was sollte man nun damit machen? Wir wissen es nicht. So stehen erst einmal alle Signale auf Rot.


2014 – Es gibt Ideen zur Nutzung des Bahngeländes. Nennt sich Re-Urbanisierung. Erinnert mich im ersten Moment an die Coulée Verte René-Dumont in Paris. Wir werden sehen.


2017 – Mit der Gründung eines neuen Quartiers 𝞝 Neues Gartenfeld 𝞝 kommt die Siemensbahn erneut ins Gespräch. Die Idee ist, die Bahn vom damaligen Endbahnhof Gartenfeld in das neue Quartier zu verlängern oder den Bahnhof zu verlegen.


2018 – Siemens beschließt, einen Forschungscampus auf dem Gelände zu errichten. Die Wiederinbetriebnahme erscheint in diesem Zusammenhang realistisch.


2020 – Es ist beschlossen! Die Bahnstrecke wird reaktiviert. Die Vegetation ist entfernt worden und auch der ganze Schotter vom Viadukt. Nun wird ein statistisches Gutachten erstellt. Folgend der ganze Papierkrieg, welcher wohl nicht vor 2029 beendet sein wird.

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