Fotografiska Berlin im Tacheles

Ich möchte Euch heute mitnehmen in einen geschichtsträchtigen Ort in der Berliner Oranienburger Straße – das Tacheles. Wollen wir erst den Namen erklären oder erst die Geschichte? Ich fange mal mit dem Namen an. Woher kommt eigentlich ✻Tacheles reden✻? Es kommt von dem hebräischen Wort ✡︎tachlit✡︎, was so etwas wie Ziel oder Zweck bedeutet. Also direkte zielführende Kommunikation ohne Zurückhaltung. Die etwas emotionsreduzierte direkte Kommunikation wird ja in Berlin schon lange praktiziert, was uns zu Meistern darin macht. ;). (🇬🇧 translate article)

Das Gebäude an sich wurde noch vor den Kriegen als Einkaufszentrum konzipiert. Das war damals ziemlich modern gebaut und auch die Idee, die Läden ineinander übergehen zu lassen, war vorher nicht verbreitet. Doch schon nach kurzer Zeit waren sie pleite. Es wurde verkauft und schon bald wieder zwangsversteigert. Nach dem ersten Krieg benutzte es die AEG als Showroom. Schon bald kam der Krieg und die NS hatte daran Begehrlichkeiten. Auch französische Kriegsgefangene wurden hier im Dach untergebracht. Jeder weiß, was kam. Hier kam die DDR. Die installierte ein paar Ladengeschäfte und Handwerksbetriebe da hinein. Auch ein Kino, welches aber wegen des schlechten Zustandes des Gebäudes rausmusste. Wie in der DDR üblich wurden Ruinen geschaffen, ohne Waffen. Das heißt, nichts wurde gemacht, bis es dann so marode und abgerissen wurde. Der Teil, welcher heute noch steht, stand kurz vor dem Abriss. Nur leider, oder glücklicherweise, wurde die DDR früher abgetakelt. Bevor die Wirren um die Vereinigung sich legten, besetzte die Künstlerinitiative Tacheles das Gebäude und rettete es somit vor dem Abriss. Die Hinterlassenschaften kann man noch heute sehen. Der Ort war beliebt und weckte somit Begehrlichkeiten. Die Räumung wurde berlintypisch angestrebt, vom Gericht als unrechtmäßig deklariert und dann doch durchgezogen. Irgendwie kam es dazu, dass der Denkmalschutz hier seine Hand drauflegte. So ist es heute ein Teil eines Neubauvorhabens, aber in alter Substanz.

Vor kurzem zog hier nun die Fotografiska (THE CONTEMPORARY MUSEUM OF PHOTOGRAPHY, ART AND CULTURE) ein, was einen Besuch aus meinen Augen durchaus rechtfertigt.

Ich war ja schon mal hier, als es noch Tacheles war. Klar war es etwas schmuddeliger, doch die Wände waren schon genau so.

Interessant, dass man das alles so gelassen hat. Auch bilden Teile der vergangenen Werke  schon eine perfekte Überleitung zu der ersten Ausstellung welche wir besuchen werden. 👁NUDE👁


Das ist ja schon mal interessant. Was sehen wir? Für mich sieht es aus wie eine in einem Tuch eingewickelte Frau liegend auf einem Salzsee.

Auch hier nicht wirklich sehr nackt, doch schön inszeniert.

So kann man auch die Formen des Körpers erkennen, ohne wirklich Haut zu sehen. Ich schau mal auf die Beschreibung, wie immer erst nach der Betrachtung der Kunstwerke.

Mit den Werken probierten die australischen Künstlerinnen Honey Long und Prue Stent spielerisch Körper, Materialien und Umwelt zusammenzubringen, was ihnen durchaus gelungen ist. Ob dabei poetische Materialbeziehungen so sehr sichtbar – ich weiß nicht.


Wir schreiten in den nächsten Raum. Das Erste, was mir einfällt – sehr kontrastreich. Dana Scruggs wollte mit ihren Fotos die anhaltenden Missstände gegenüber anderscolorierten in den USA ins Gedächtnis bringen. Zugegeben – diese Idee kam mir beim Betrachten nicht.


Ich muss sagen, dass ich die Aussage der Künstlerin Bettina Pittaluga auf dem Schildchen »Ich mag den Gedanken, dass ich Schönheit fotografiere« schon mitreißend fand. Ich überlegte, wie gehe ich da ran? Ja auch – doch auch nicht wirklich immer. Am Ende ist das Resultat doch oft schön – bei Vielem auch schon vorher.


Es erinnerte mich sofort an meinen Besuch in der CO Berlin. Mädchen im Grün – na ja – war nicht der originale Titel der Ausstellung.

Das hier nun wirkt wie ein Schnappschuss. Einzig die Herkunft der Darstellerin und damit einhergehend die Interpretation ist fraglich. Die Beschreibung bringt Gewissheit. Die junge Generation der chinesischen Gesellschaft hat gebrochen mit den kulturellen Erwartungen, welche an sie gestellt werden. Sie möchten die alten Stereotype nicht mehr bedienen. (Luo Yang) Hab ich mir schon gedacht.


Lotte van Raalte versucht hier authentisch und spontan die Individualität der Menschen einzufangen, welche sie vor der Linse hat. Was meint Ihr? Gelungen oder?


OK – fangen wir an zu überlegen, was wir hier sehen. Eventuell versuche ich zu viel da rein zu interpretieren. Ein Paar spielt mit dem Seil. Was soll das Ergebnis dieses Spiels sein? Ich komm nicht drauf. Ich lese »Inspiriert von einem facettenreichen und globalen Zukunftsbild, das sich aus dem Reichtum der Kulturen und Traditionen speist, paart Bodhi Shola in ihrer Kunst persönliche Erfahrung und Fiktion.« Also – ich hätte da noch ein paar Fragen…🤔


Das nächste Kunstwerk ist irgendwie schön. Einfach so! Ein paar Knie schauen über einen spiegelnden Tisch. Wenn mir das einer so gesagt hätte, hätte ich es mir sicher nicht so vorgestellt. Brooke Didonato versucht hier den Realismus zu hinterfragen. Ich würde es anders ausdrücken. Hier wird eine fiktive Landschaft auf eine neue Art dargestellt.


Auch wenn es sicher auf den ersten Blick nicht eines jeden Wunschkörper ist. Und doch irgendwie fesselnd. Julia Sh untersucht den Austausch von Fotograf und Darsteller, vornehmlich an Frauen welche sonst nicht im Fokus, den Blick vom erotischen ins ästhetische verschiebend.


Angelica Dass sucht die Vielseitigkeit der menschlichen Schönheit.


Jetzt kommen wir zu den Bildern, welche mich am meisten ansprachen. Frauen drapiert in Landschaft, mit ihr verschmelzend, ein Teil davon geworden, zwei Dinge, die mir gefallen, vereint.

 

Und hier suchte ich natürlich erst einmal. Ich finds genial und irgendwie auch verspielt. Interessant finde ich, warum diese Werke entstanden sind. Viki Kollerova ist während Corona irgendwie auf Kreta hängen geblieben. Was macht frau den ganzen Tag mit der freien Zeit? Frau wandert durch abgelegene Gegenden, bis dann die Idee kam, sich selbst im Felsen drapiert zu fotografieren.


Sollte man davon ausgehen, sofort zu verstehen, was der Künstler uns sagen möchte? Wenn ich nun annehme, dass das bei mir meistens nicht der Fall ist, läge ich damit nicht wirklich falsch. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Carlota Guerrero den männlichen Blick auf alles infrage stellt. Dieser ist an sich schon sehr mannigfaltig, doch auch der der Gegenüber steht dem in nichts nach.


Was fällt Euch auf? Die Szene ist schon sehr skurril. Ja, das Bild darüber passt im Prinzip ganz gut zu allem. Doch die beiden Mädels in der Mitte. Was machen die da? Sie scheinen fehl am Platze und irgendwie da reindrapiert, der Situation nicht gewachsen, unbeteiligt an der sie umgebenden männlichen Nacktheit.

So auch hier.

Yushi Li beschäftigt sich nun einmal andersherum, bezogen auf den Blick aufs andere Geschlecht. Männer als erotisches Objekt der Begierde und Sexualität. Da wirken für mich diejenigen, welche diesen Blick hier verkörpern, etwas teilnahmslos oder überfordert.


Nicht ganz ergründend, was die Darstellerin dort gerade macht, warum sie dieses Gewand trägt,… und doch sehr friedlich faszinierend eingefangen.

Ich erinnere mich an meine Reisen in Afrika. Sorry, aber die Hautfarbe bringt das so mit sich. Solche Situationen habe ich dort aber vermisst. Ok, eigentlich erst, nachdem ich das Bild hier gesehen habe.

Tja und wieder schlägt zu, was ich schon vermutet hatte. Mein Gehirn hat es sich erst einmal wieder sehr einfach gemacht mit seiner schnellen Einordnung. Hier geht es um „La bella Elvira“ und das Bild von Frauen als Opfer. △Die Wahrheit liegt nackt und bloß da.△ Ich gehe ja so weit mit, dass da jemand nackt daliegt, doch der Teil der Wahrheit, welcher hier sichtbar werden soll, hüllt sich für mich noch in unzählige Gewänder und verstecket sich gekonnt. Bezogen auf das obere Bild zerstört das Gelesene meine friedliche Stimmung, was ich nicht als angenehm empfinde, sicher genauso wie die Erwartungen an das Leben von seitens Elvira.


Wir ziehen weiter in die nächste Ausstellung.

Wieder vorbei an Motiven, welche schon vor der Idee dieser Ausstellung das Thema aufgegriffen hatten.

Ich stehe vor dem Aushang – grübelnd. Das wirft doch einige Fragen auf. Kann es sein – oder doch nicht? Im Grunde möchte ich es nicht.

Ich lasse es mal unkommentiert. Nur ein kleiner Auszug:  🕸Dreckig und katzenhaft, provokant und plüschig – Huxables Figuren besetzen einen Raum mit postpornografischem Potenzial, indem sie den geschlechtlichen Körper über den identifizierbaren menschlichen Bereich hinaus in die Tierwelt verschieben…🕸


Wieder geht es durch das Treppenhaus in den obersten Stock.

Vor der Tür dann diese Warnung. Bei mir schießt durch den Kopf, solche verachtenden Inhalte habe ich schon des Öfteren selbst, zwar nicht als Target, miterlebt. Die Warnung machte mich neugierig – eventuell auch fokussierender.

Es ist jetzt nicht wahnsinnig aufregend, wenn frau da eintritt. Gegenüber im Raume ist eine große Leinwand, an der Bilder hängen. Genau betrachten ist es ein und dieselbe Person. Durch den Raum allerdings fliegen Kommentare, welche ich, weiß und auch schon alt, als sehr verstörend empfinde. Was da gesagt wird, wäre vor 200 Jahren möglicherweise akzeptiert und somit nicht weiter aufregend – in den Augen der westlichen „zivilisierten“ Welt. Doch die Art der Benutzung der hier gesprochenen Sprache dünkt nicht so alt.

Erst bei meinem Ansinnen die Ausstellung zu verlassen, werde ich eines kleinen Bildschirms gegenüber gewahr. Hier nur die die originalen Ausschnitte aus dem Fernsehen. Unglaublich.


Wir haben alle Ausstellungen besucht.

Es gibt noch eine Bar, welche auch eine Terrasse mit Sicht auf Berlin hat.

Wieder auf der Oranienburger Straße zeigt sich der Fernsehturm, der Ausstellung entsprechend, auch ziemlich unverhüllt. Die Fotografiska an diesem Ort ist schon gelungen, wenn auch ein paar gemischte Gefühle bleiben. Dort wo die Berliner auf ihre Art mit Kunst Freiräume urbanisieren und aufwerten, dort wo du früher Kunst, zurecht gehämmert aus irgendwelchen Schrott, erwerben konntest, dort wo du etwas anarchistisch, in der sonst so kontrollierten Stadt, eine Auszeit nehmen konntest, haben die Investoren wieder zugeschlagen und den größten Teil des Areals mit gesichtslosen Luxusapartments voll gepflastert. Dass dieses nicht von allen wohl betrachtet wird, ist nachvollziehbar.

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