Wir überlegten, wohin wir denn fahren sollten oder was wir sollen unternehmen an dem Tage der Morgenröte, an welchem allen klar ward geworden, Jesus war zwar zwischenzeitlich einer von uns aber diese Zeit ist nun vorbei, da er zurückkehrte. Sicherlich nicht ganz unbeschwert, wenn wir mal von der Last des Kreuzes absehen, welches er durch die Gassen schleppen musst, so auch sicher von dem Glauben, wir wären noch lange nicht bereit. Ich vermute, dass sich daran in den letzten 2000 Jahren auch nicht viel änderte. Ehrlich gesagt, verschwenden wir nicht unsäglich viel Gedanken an seine Pein, sondern genießen den arbeitsfreien Tag, wie wohl auch die Meisten in Deutschland. Er mag mir vergeben.
Um die Entscheidung zu vereinfachen, erhalten wir von unseren englischen Freunden die Meldung, dass sie werden kommen nach Berlin. So freuen wir uns auf ein Wiedersehen.
Die Sonne scheint göttlich und nicht ein kleines Schäfchenwölkchen zieret dieses Blau. So beschließen wir, die Potsdamer Gärten und Parks scheinen ein angemessenes Ziel.
In Anbetracht der arbeitsfreien Heerscharen, welche über das Land herfallen werden, gehen wir fürerst in den Park Cecilienhof. Damals schicksalshaft für Deutschlands Zukunft, liegt er heuer gar friedlich dar. Alte knorrige Bäume, angeregt durch der Sonne Strahl Kitzeln auf der Rindenoberfläche, treiben jungfräuliches Grün in den makellos blauen Himmel.
Einige sind schneller und andere trauen dem Frieden nicht.
Wir folgen der Geschwindigkeit um uns herum und schauen den Blättern zu, wie sie ihre winterliche Hülle sprengen. Einzig der Vögel Gezwitscher, durchbricht die Stille.
Ein sanfter Hauch von einem Wind überstreicht zärtlich das Land und trocknet den geübten Fischfängern das Gefieder.
Noch anlockender als dieses junge Grün und die strahlende Sonne ist die Blütenpracht der Bäume. Das alte Gemäuer wird vor Neid erblassen, da so links liegen gelassen zu werden, kaum wird ein Jeder dieser Pracht gewahr. Wir schwelgen genüsslich in dem überbordenden Meer aus Weiß und Rosa.
Aus dem Park kommend, erinnert ein sicherlich aus der kommunistischen Zeit stammendes Kunstwerk, unserer Verortung.
Wir gehen in ein kleines Hinterhofkaffe, gleich nebenan. Die Zubereitung des frischen Spargels dauert etwas länger als von uns gewünscht, da der Hunger naget schon gar mächtig an GG’s Gemüt. War dann aber umso leckerer.
Was soll ich sagen? Ich bin dafür. Und meine Begleitung sichtlich auch. Sie gehen es dargleich energisch an. Mich verwundert nur, dass man als sichtlich erfolgreiche Frau die Gebärden eines durchgreifenden Mannes adaptieren muss und die Lilifee-Attitüde da keine Chance hätt. Ist es nicht die Diversität, welche uns voranbringt? So sollt die Frau es doch anpacken auf die Art, welche ihr beliebt. Hoffentlich wäre diese eine vollkommen andere. Ein bisschen Abwechslung kann doch nicht schaden.
Im russischen Viertel Alexandrowka, sitzen wir in einem Garten und lassen einen Latte unsere innere Mitte erreichen. Entschleunigung inmitten der Stadt. Die alten Häuser, gebaut aus altem sibirischen Holze, stehen wie seit altersher um uns herum. Einzig der Pegel im Latteglas unterliegt einem natürlichen Schwund.
Nun noch schnell durch die Stadt, welche einigen Veränderungen unterliegt. Damals, zur ansprechenden Stadt sozialistischem Baustiels umzuprägen versucht, fällt heute ein Stein nach dem Andern dieser Epoche der Abrissbirne zum Opfer. Auferstehend das alte Preußische Ensemble, längst vergangener Tage.
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Den Abend verbringen wir in der Philharmonie. Ich weiß nicht genau ob es systemisch ist oder irgendwelche anderen für mich nicht nachvollziehbaren Dinge es bestimmen, dass S&N immer in der letzten Reihe, am weitesten oben buchen. Wir wollten beisammen sein und so buche ich daneben. Sicher ist ein weiter Blick immer angenehm. Ich bevorzuge diesen aber in den Bergen. Hier bist du so weit von dem Orchester entfernt, das es kaum möglich ist die Micro Struktur aufzulösen. Gut – eventuell ist das Beobachten nicht der Grund welcher die Meisten Zuschauer hier her zieht. Wobei – die teuersten Tickets sind genau vorm Orchester.
Als erstes hören wir die Stücke »Onde – Orizzonte – Sentiero Azzuro – Colori – Stelle « von Andrea Tarrodi. Für alle Unwissenden möchte ich sagen, dass Musik sicher einiges unvorhergesehenes bieten kann und sicher auch tut. Wer wird sich nicht vorstellen, wenn er höret von einem Besuch der Philharmonie, die melodischen Klänge altehrwürdiger Meister.
Diese jahrhundertealte Dominanz aufzubrechen bedarf es schon einiger extremer Mittel. Wir hörten nicht wirklich was sehr Extremes. Bei manchen Passagen schloss ich die Augen und ließ die Musik auf mich wirken. Habt ihr das jemals gemacht. Irgendwann beginnt dein Geist sich zu langweilen oder er fühlt sich unbenutzt, so kreiert er Verbindungen zwischen Bildern und der Musik. Ich, schon immer sehr freiheitsliebend gestatte ihm das großzügig. Interessant ist, dass ich mich plötzlich in einer Detroiter Fabrikhalle wiederfinde, wo Motoren und sonstiges aus Stahl wird zusammengefügt, unter Geräuschen welche nun mal hervorgerufen werden, wenn man mit einem Stück Eisen auf ein anderes schlägt. Ich nehme mir das Programmheft und lese:
»Die Schlagzeugbrandung des Anfangs, die im ganzen Orchester Resonanz und Verstärkung findet; das Solo des Englischhorns; jenes Instruments der Ferne, das schon bei Berlioz über die Berge sang und Echos von seiner kleinen Schwester, der Oboe, erhielt; das Geläut über Streicherbewegungen und Bläserakkorden; die huschenden Flötenfiguren, die ein flirrendes und wimmelndes Farbspiel der hohen Holzbläser und Schlagwerke auslösen; die erneute Brandung; das leise Glitzern und die Glockenschläge, die fast das Ziel der Zeit erreichen – all das sind Momente eines bewegten Klangporträts von jener eigentümlich faszinierenden Landschaft der Cinque Terre.« (Habakuk Traber)
Ich geh ja mit so vielem mit. Lass das Englischhorn verkünden, was es immer mag möchten, lass die Oboen rumoboen und das Fagott – ja auch das. Aber als ich die letzten beiden Worte las – diese liebliche Landschaft, welche blumig an den steilen Hang gedrückt umspielet von seichten Wellen azurblauen Nasses – kollinear zu der gehörten Musik? Meine Zweifel waren nie größer. Mag das korrelieren mit einer an den schwedischen Ostseegestaden liegenden Stadt, mag sein..?.
Folgend hörten wir »Veni, veni, Emmanuek« Im Vordergrund der ganzen Aufführung und auch von hier Oben gut auszumachen, steht der Schlagzeuger, welcher nicht nur ein Schlagzeug an sich zu bespielen hat, sondern auch noch einige andere Kuriositäten, welche ich nicht zu benennen weiß. Hoffentlich denket ihr nun nicht, dass wir und die anderen Zuschauer, headbanging in den Rängen stehen. Sicher wäre es für diesen Ort denkwürdig, weil es so gar nicht hier her zu passen scheint. Freilich erinnert auch diese Stück nicht an Händel oder Mozart.
In der Pause begeben wir uns weiter nach unten, weil das Jung-Volk neben uns einfach zu sehr nach Alkohol riecht und nicht stillsitzen kann. Die Platzeinweiser*in kann es verstehen und offeriert uns Plätze in der 4. Reihe. Nun folget der Teil, der mehr dem entspricht was ich erwartet. »Enigma-Variationen« Das sind also alle Versuche vor der großen Veröffentlichung zusammengepresst in eine Aufführung. Von hier unten kann man sogar die Dirigentin bis ins Kleinste – ja sie war nicht gerade von Herkulesstatur – vor dem Orchester auflösen. Die Gestik und die Handbewegungen waren beeindruckend. Ich denk so bei mir, dass ich da wohl auch spielen hätt können, so klar war, was jetzt passieren wird, wenn man sich darauf einlässt, in ihren Bewegungen zu versinken
Heute ist das Stücken Land unser Ziel, welches eine gewisse Zeit gar frei von feien Menschen ward gewesen, wobei diese außerhalb, wenn quasi nicht frei sich fühlten, sicher gern dieses Stück Land betreten, nur um es so schnell wie möglich zu queren und wieder zu verlassen, wenn es nicht mit dem Weiterleben so unvereinbar wär.
Zu dieser Zeit war fürwahr nicht die Sonne der Grund, dass sich Familien an des Mauers harten Seiten fanden, sondern der Wunsch, dem entfernten Teil der Sippe zu zeigen die Neuankömmlinge, hoch haltend über Stacheldraht.
Glücklicherweise ist diese Zeit vorbei und nur noch ein marginaler volksfreier Raum lieget vor unseren Füßen.
Sicher ist es auch heute nicht einfach die Transition von Ost nach West durchzuführen. Wir haben es versucht und scheiterten. Bei dem Thema kam natürlich auch der bevorstehende Brexit zur Sprache. Was nun machen die 49% die in der EU bleiben wollen und was die die unter merkwürdiger Argumentation da raus wollen. Auf die Mauer schauend war dann nur noch eine Lösung gewahr die N so formulierte: “Eure Vergangenheit ist unsere Zukunft“ Eine Insel auf der Insel, zugehörig der EU. Schicken wir dann die Rosinenbomber?
Ein paar Meter weiter ist der Mauerpark. Heute wird er von den Berlinern so genutzt wie es ihnen grad bequem. Musiker spielen auf und alte Männer tanzen. Der staubige Grund wird unter den Millionen Füßen aufgewirbelt und setzt sich auf deinen Zähnen nieder.
Schnell haben auch einige Hobbygastronomen entdeckt, hier ist ein wenig Geld aus den Beuteln zu locken. Den heutigen Ansturm erwartend geben und nehmen sie, was sie können.
Am meisten faszinierend ist die Selbstorganisation eines Karaoke Events. Diese jähret sich heute um 10 Jahre. Noch immer kommen Leute mit ein wenig Elektronik und einer Batterie daher und fordern Zuschauer auf, ihre Sangeskunst mit anderen zu teilen. Eine ausgelassene fröhliche Stimmung die viele kommerzielle Veranstaltungen im Schatten stehen lässt, auch wenn ein solcher hier sehr begehrt, ob der ungewohnten Strahlendosis.
Wir planten zur Nacht noch ins A-Trane zu gehen. Einen netten aber auch wohl bekannten Jazz Club in der Nähe. Wir erscheinen früh um einen der begehrten Tische zu erheischen. Verwundert stellen wir fest, dass auch hierfür die Reservierungspflicht Einzug gehalten hat. Hoffend auf einen Platz zum Sitzen um unsere geschundenen Füße ein wenig zu entlasten, wurden wir enttäuscht. So entschieden wir, lieber diese gute Musik zu missen denn einen Platz zum Sitzen.
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