Nach nicht einmal zwei Stunden Flug bist mitten in England. Schaust du aus dem Fenster, siehst du kein Meer und keinen Berg. Nur endlose Flunder, flache Felder und Wiesen. Das Glück ist mit uns und wir werden abgeholt.
Warwick – tja wie soll ich das beschreiben. Erst mal so grundsätzlich englischer als das, was es so in Deutschland gibt.
Nette alte Steinhäuser, eher flach und in einem anderen Stil. Auf keinen Fall Dämmung oder Isolierglas. Irgendwie nett. Im Pub werden wir alsbald mit der letzten Order konfrontiert und sie warten sehnsüchtig darauf, dass wir endlich abziehen. 23:30 Kein Bär tanzt mehr. Sehnsüchtig harrt die Pflasterung auf eines einsamen Wanderers Tritt. Nur der Blumengießer streift durch die Gassen. Bald sollt auch er verschwinden. Nun ist Ruh und Vollmond.
Do: Beim englischen Frühstück, bestehend aus angeschmorter Blutwurst, stelle ich fest, doch eher kontinental orientiert zu sein. Was gäb ich für ein einfaches Croissant. Warwick ist wahrlich der Ort, welcher am weitesten vom Meer entfernt ist und trotzdem hängen in unserem Zimmer nur Bilder von Riesenkraken und sonstigen Meeresungeheuern.
Auch für ein Lobster Festival in Bälde wird geworben. Nun schicken wir uns an die Stadt zu erkunden. Die Kirche hat ein paar beeindruckende Ecken.
Gleich stürzen ein paar nette ältere unbezahlte, sonst langweilende Damen herbei, welche uns alle historisch wichtige Fakten näher bringen möchten.
In der Information gegenüber preisen sie uns das hiesige Schloss an. Obwohl wir gewarnt waren, dass es etwas kitschig sein solle, gehen wir hinein.
In der Tat tut sich da das Meiste darum zu bemühen, der Jugend von heute die Ritterzeit näherzubringen. Wohl wissend, dass jenes Wissen in der heutigen Zeit eher unbedeutend, verkommt alles als kitschiges Geplänkel um da mehr Geld zu locken aus der Börse oder die Jugend vom Handy.
In der sengenden Sonne ziehen wir mit dem ganzen Tross durch die Stadt dem Zeltplatz entgegen. Auf diesem steht lediglich eine Reihe Schatten spendender Bäume, welche komplett belegt ist. Rundherum nur ausgetrocknetes Gras auf gedörrtem Grund. Ich kenne lieblichere Plätze.
Unser mini Zelt sieht ein wenig verloren aus zwischen den Aufbauten der Einheimischen. Da fehlt nichts an Komfort. Nicht mal Gartenzwerge wie auch Kunstblumen. Der eigentlichen Idee des Zeltens bei einem Festival widerspricht das ein wenig, denke ich. Ne Zahnbürste in der Hosentasche und nen Haufen gute Laune, s‘ist alles was i dabei hab.
Am Abend ist in das Eröffnungskonzert. Wie soll ich das zusammenfassen? In einer voll bestuhlten Halle, sitzen meist ältere Leute und schauen Musik zu. Kaum eine Bewegung ist auszumachen. Liegt es an der falschen Musik oder an den vielen Zipperlein?
Die Vorgruppe sind ein paar Mädels aus Kanada, welche das halbe Jahr in 5 Meter Schnee stecken auf dem nebligsten iLot wo gibt. Das die das hiesige Publikum nicht sofort abholen können, erscheint verständlich. Cultural Issue. Ich fand’s schön. Doch fernerhin die grandios spritzig (soweit man das von einem Hundertzwanzigjährigen erwarten kann) angekündigte Hauptgruppe, hat das Setting nicht viel ändern können. (Jon Boden and The Remnant Kings)
Viel wurde über das Meer gesungen und der Trauer die damit verbunden. Das traf genau den hiesigen Kern der Gesellschaft, welche sich jeden Tag damit auseinandersetzen muss, neben den Bedingungen in Minen im hohen Norden. Vollkommen logisch. Geliebt wird hier weniger! Immerhin sind damit alle Haupt-Probleme der hier Lebenden so weit wie möglich weg.
Die Musik ist aus. Nachfolgend wandelten die Meisten zurück zu ihren Sesseln vor den Wohnwagen. Su Ann sagt Jim Bob gute Nacht und Mary Ann – Olyvia.
Fr: Wir starten den Tag mit einem beruhlichen Gang durch den Ort.
Zurück auf dem Gelände:
Behänd entern ein paar Grazien aus dem Nachbarort die Bühne. Mir scheint, sie haben von allen Versammelten schon das Meiste intus. Eine Flasche Rum wandert von rechts nach links und mir schwant, worüber sie singen werden. Natürlich übers Meer! ? Mit geschlossenen Augen könnte man denken ein paar Seeleute singen beim Landgang. In dem Rahmen wär’s ok. Aber hier auf einer offiziellen Bühne.
Ein wenig wird sich auch in traditionellen Tanzen erprobt.
Das ist sehr nett anzusehen und scheint den Teilnehmer auch viel Spaß zu bereiten.
Die meisten Veranstaltungen finden auch heute innen statt. Eintreten kannst du nur zwischen den Liedern. Das führt dazu, dass Viele einfach sitzen bleiben wie bei einem Konzertbesuch. Meine Idee von einem Festival sich durch die Musik mal da mal dahin treiben zu lassen verhält sich etwas konträr dazu.
Worüber mögen diese wohl singen?
Wir haben ein paar nette Vorstellungen gesehen. Lieber hätte ich die Lieder neben einem Lagerfeuer genossen, denn im Neonlicht.
Sa: In der Nach überraschte uns das Regenwetter und böiger Wind. Einige Aufbauten flogen zügellos über das Gelände. Glücklicherweise kommt noch die Sonne raus.
Oben in der Stadt sind die traditionellen Tänzer am Vorführen. Schaue ich in deren Gesichter, sind die Promille-Anzeigen noch nicht wieder auf 0. Allenthalben ist es interessant anzusehen.
In einer Straße spielen oder singen Laien Musiker. Keiner ist perfekt, geben ihr Bestes, das ist genau das, was ich mag. Rundherum werden kleine Dinge angeboten. So stell ich mir ein Festival vor.
Zurück in der Arena spielt das Wetter nicht mehr mit. Besser gesagt es tat genau das, was sein vorauseilender Ruf kundtat. Einige Einheimische störte das offensichtlich weniger.
Wir sitzen im Bierzelt und warten. Vergebens. Gegen Abend bin ich letztendlich froh, dass die Konzerte indoor sind. Mangels angenehmen Platzes in unserem Micro Zelt, brachen wir frühzeitig auf und ergattern grade noch die letzten der begehrten Plätze.
Mir war klar, das ist der Ort wo ich verweilen werde bis in die erste Morgenstunde. Draußen tobt drisseling Rain und hier drinnen die baskische Band Korrontzi. Wie viel Energie investieren sie, um die müden alten Knochen um uns herum ein wenig in Resonanz mit der Musik zu bringen. Hut ab vor dieser Leistung. Tatsächlich haben sie es ab und zu geschafft. Auch sehr schön anzusehen ist das junge Paar, tanzend zu dieser Musik. In mir kreisen Zweifel, dass diese Art zu tanzen wirklich aus dem Volke stammen sollt. Mich erinnerte es in Zügen an Schwanensee. Tatsächlich forderte die Band die Leute auf aufzustehen. Niemals zuvor ward das gesehen. Jeder der es vorher versuchte wurde harsch von der Aufsicht in seine Schranken, oder besser in seinen Stuhl verwiesen. Nun endlich durfte ich aufstehen und tanzen. Schnell verflog die nasse Kälte aus meinem Körper und der Abend ward freudig zu werden.
Die nachfolgende Darbietung von Show of Hands ist nicht mehr so heißblütig, gleichwohl schön.
So: Wieder fegen Nachts Schauer übers Land. Wir schützen uns in der Haupthalle. Ziemlich einsam spielen hier ein paar Jungs alte Weisen. Sie tun mir leid. Später erfahre ich, dass die meisten anderen Festivalbesucher sich in der Halle drängen, wo ABBA neu aufgelegt wird. Deshalb bin ich nicht hier.
Im peitschenden Regen sag ich der Frau hinter mir in der Schlange, dass ich gerne mit ihr etwas von der Berliner Sonne teilen würde aber sie leider nicht mehr in der EU seien. Sie schimpft auf die Stupiden in London.
Nun ist es auch schon wieder Zeit Auf Wiedersehen zu sagen. Ich habe keine großen Probleme zu gehn. Die „Freundlichkeit“ an englischen Flughäfen, ändert nichts daran. An die lustigen Stunden mit Freunden werde ich mich noch lange erinnern.
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