Haarlem Koorbiënnale (2) 🇳🇱

Niederlande

Samstag

Untergebracht in einem Nachbarort, welcher auf den ersten Eindruck etwas Ländliches vermittelt, schon durch seinen Namen – Driehuis(es waren mehr als 3 Häuser) verbrachten wir eine schöne Nacht und machten uns mit den holländischen Frühstücksritualen bekannt. Unsere Gastgeber erklärten uns, dass sie nichts Süßes zum Frühstück essen. Ja, da fällt mir sofort der Verzicht auf leckere Marmelade ein. Das entspricht im Prinzip auch genau dem, wobei ich mich dann fragte, wozu denn um Gottes willen die Schokostreusel auf dem Tisch stehen. Nichts Süßes beinhaltet ja wohl auch – keine Schokostreusel! Ihr brennt bestimmt auch auf die Beantwortung dieser Frage. Also offensichtlich sind Schokostreusel nichts Süßes. So einfach kann das sein. Die streut man sich auf´s Brötchen so wie wir da Nutella drauf breit schmieren. Ansonsten ist man in Holland natürlich – ja Kaas.

Wir fahren nach Haarlem. Dort ist es schwer zu parken. Wenn du eine freie Stelle am Straßenrand siehst, heißt es noch lange nicht, dass man da parken kann. Es ist auch nirgends ein Verbotsschild zu sehen. Hier darfst du nur Parken, wo es definitiv erlaubt ist. Und das ist sehr beschränkt. Oft dürfen auch nur Anwohner parken. Wie man diese Gebiete raus bekommt, bleibt mir verschlossen. Wenn du jemanden besuchst, bekommst du von ihm eine Nummer. Diese zusammen mit deinem Kennzeichen schickst du dann mit deinem Handy ans Ordnungsamt. Tust du dieses nicht, kann es sein, dass dein Auto nicht mehr da ist.

20150627 010 Haarlem Gravestenenbrug

Nach einem kleinen Fußmarsch durch die Stadt treffen wir die Anderen, um gemeinsam zu Proben. Das Wetter ist schön und wir freuen uns. Leider sind die Nachbarn von unserem Gesang nicht genauso begeistert wie wir und so müssen wir Fenster und Türen schließen. Die anfängliche Freude über das schöne Wetter kehrt sich nun ein wenig ins Gegenteil. Der Saal heizt sich auf und der Sauerstoff schwindet. Würde es nur draußen regnen.

In der Probenpause werden wir mit lecker selbstgebackenen Kuchen versorgt. Apropos lecker! Dieses Wort wird hier für alles Mögliche Verwendet. Also lecker Wetter, lecker Stück (ist ein heißer Feger) lecker Eis… Die einzige Ausnahme, die ich eruieren konnte, ist der Bahnhof. Der ist nicht lecker! Wenn ihr nun denk, es ist deshalb, weil dieser aussieht wie ein heruntergekommenes reudiges versüfftes Etwas, muss ich euch enttäuschen. Der ist sauber und im Inneren gibt es viele alte Elemente. Er ist halt nur per se nicht lecker. Die holländische Sprache bietet durch ihre Nähe zum deutschen einige Fallstricke welche durchaus die Möglichkeit besitzen, dass man da tritte in eines Napfes Fett. Also mal ganz harmlos. Steht da am Haus – verkocht. Da wird nicht angezeigt, dass das selbige zu lange in heißem Wasser war. Auch die Besitzer haben nicht zu heiß gebadet oder sind der Zubereitung von lecker Essen nicht mächtig. Nee – die Hütte ist verkauft. Es wird nun nicht an jedes Haus geschrieben, was jemals verkauft worden ist. Nur an welche, die es vor kurzem noch nicht waren. Komplizierter wird es, wenn da steht – Kantor Huren. Ja. Definitiv nicht das, was du denkst. Wird nicht mal so ausgesprochen. Ein U ist hier kein U. Also, wenn du ein U willst, schreibst du ein OE. Ist doch klar. Daraus folgt, wenn du in Holland irgendwas tust, tust du es hier nicht, sondern toest es. Richtigerweise does du es, und du sagst auf keinen Fall, dass du döst, sondern dass du des dus. Klar? Ein Ö macht man durch ein Pärchen von E und U. Ich hab mich nicht getraut zu fragen, ob die nun zu der EU einfach mal ´Öh?´ sagen. Es würde jedenfalls einiges erklären. Nun kommen wir zurück zu Huren. Mit dem U ist das nun so ein Ding. Manchmal ist es ein Ö und manchmal ein langes Ü. Kapiert hab ich das nicht. Wir haben es also nicht mit Huren zu tun, sondern mit Hörren oder Hüüren. Je nachdem, was da so wichtig ist. In der eigentlichen Bedeutung kommen wir dann wieder näher. Übersetzt wird dieses Wort mit ´Mieten´ oder ´zu Mieten´. Welches ja durchaus dem entspricht, was man mit den Bordsteinschwalben macht. Eventuell kommt es einfach da her. Also folgerichtig ist a Hur(d) a Hoer(nl) und meint gesprochen keinesfalls a Hör, und wenn du hör´n willst dann luistere(nl) mal. So einfach kann Sprache sein.

Haarlem De Hertenkamp
Haarlem De Hertenkamp

Mitten in den Proben wurde noch eine Brotzeit angekündigt und selbstverständlich auch ausgeführt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist ein Park. In dessen Weitläufigkeit befindet sich ein kleines Lokal. In diesem werden Brote geschmiert, welche dann diagonal durchgeschnitten und übereinander gefaltet eine dreieckige Form ergeben. Mehrere von diesen Ecken werden geschichtet und mit einem Oliven gesättigten Holzspieß zueinander fixiert. Der Anblick verleitete mich zu dem Gedanken: ´Wie um Himmels Willen, soll ich das in den Mund bekommen.´ Gar nicht! Es ist gestattet und auch nicht unhöflich, das tragende Strukturelement fachmännisch zu lockern und somit die Konstruktion wieder in ihre Hauptelemente – jeschmierte Stullen – zu zerlegen. Das Brot war frisch wie auch der Belag. Also was? Genau – Lecker!

Nach dem Proben und wundern über die Verknüpfungen der Sprache machten wir uns auf in ein Strandlokal.

Haarlem Stadstrand de Oerkap
Haarlem Stadstrand de Oerkap

Nicht an der See. Einfach ein kleines anarchisches unorthodoxes Lokal mit ein wenig Sand, eingerahmt von einer Eisenbahntrasse, der Schnellstraße und dem Kanal. Hört sich nicht besonders gemütlich an – war es aber. 50 Pizzen – also in Worten fünfzig – waren vorbestellt. Da unsere beiden Chöre eine Minderheit in diesem Lokal darstellten, kann sicher jeder nachvollziehen, dass es zu Konflikten kommen muss. Wenn die die Selbigen hintereinander nur für uns zubereiten wird der Tisch schon vom bloßen zubereiten so heiß, dass die Teile gar nicht mehr in Ofen müssen. Die zweite Schwierigkeit wäre, dass die anderen warten müssten. Da hört der Spaß auch beim friedlichsten Holländer auf. Es wurde also debattiert und immer was dazwischen geschoben, so dass einige unserer Mitstreiter nur noch die Hälfte von Kate Moss waren. Zum Glück, hatte ich mal wieder Glück. Ich saß genau in der Einflugschneise und mein Hunger war nicht so groß.

Haarlem Grote Markt
Haarlem Grote Markt

Abends waren wir noch in einem Konzert nahe des großen Marktes. Es heißt hier nicht nur so, sondern es finden tatsächlich noch Märkte statt. Mittendrin steht eine große Kirche, welche immer noch umsäumt ist mit kleinen Häusern, die an ihr kleben wie Miesmuscheln an einem Stück Holz, welches eine Weile im Wasser gelegen hat. Ich find es sehr gemütlich. Insgesamt ist die Stadt nicht hoch gebaut und meistens verkehrsberuhigt. Na ja – du wirst hier nicht von einem Auto überfahren, aber du musst höllisch aufpassen, dass dich kein Fahrradfahrer platt macht.

20150627 141 Haarlem PhilharmonieZurück zum Konzert. Ein südfranzösischer Chor bestehend aus fünf Mitgliedern sang in einer Sprache, die sicher Französisch sein sollte, es aber auch nach Auskunft der einzigen Französin in unserer Gruppe nicht war. Egal was für eine Sprache. Es war echt toll. Unklar wie man bewaffnet nur mit einem Tamburin und Stimme solch ein Erlebnis zaubern kann.

Des Abends Neige verbrachten wir, in eines Mitglieds Garten, bei Gesang, Gequatsche, Gelache und Bier.

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