Nach Namibia 2004 (1) 🇳🇦

Wer hörte nicht schon mal im Geschichtsunterricht von den wenigen deutschen Kolonien und deren unrühmliche Politik. Ich bekam mal ein Buch in die Hand, wo das Leben beschrieben ward von Namibia zu der Zeit in der es unter südafrikanischer Verwaltung stand. Ich hätte nicht gedacht, dass die deutschen Siedler so lange das Land prägen. Deutsch ist immer noch die Sprache und die meisten Güter sind in deutscher Hand. Das Gros der Bevölkerung spricht zu Hause Afrikaans. Das ist so ein wenig wie platt ergänzt mit ein paar afrikanischen Begriffen, welche in der alten Welt keine Entsprechung haben. Ja, irgendwie löste es ein neugieriges Interesse bei mir aus. Ich erzählt meinem Kumpel S von der Geschichte. Er war auch sehr interessiert und nicht abgeneigt dort hinzufahren. Ok – also gehen wir es an. Das war zu der damaligen Zeit nicht so einfach. Internet gab es wohl, aber man konnte noch jedes ASCII-Zeichen in der Leitung verfolgen wie den Frosch in der Schlange. Eine reine Text-Nachricht nach Windhoek dauert schon ein wenig. Ich nehme mal an, dass die Zeichen von der Mittelmeerküste durch Trommeln weitergetragen werden. Ihr werdet es nicht glauben. Ich erhielt eine Nachricht aus unseren ehemaligen Kolonien im besten deutsch. »Alles klar, ihr könnt kommen« (🇬🇧 translate article)

Meine Vorstellungen von Afrika waren äußerst diffuse. Weites Land keine Wegweiser oder Straßen. Wie schnell könnte man sich da verirren. Ein Kompass könnte helfen, sich wenigstens nicht so sehr zu verirren. Ja nur welchen. Ich fand eine Armbanduhr mit Kompass und Höhenmesser im Internet. Casio. Toll. Nur war der Händler in China. Also, was mache ich? In Deutschland kostet sie doppelt so viel. Aber China. Das kann doch kein Original sein. Ich überlege und komme mit mir Überein, dieses Risiko einzugehen. Uhr bestellt. Sie kam an und sah aus wie das Original. Funktioniert auch super. Ich bin gerüstet für Afrika. (Noch viele Jahre später läuft die Uhr einwandfrei)

Der einzige europäische Flug nach Namibia geht über Frankfurt. Im Flugzeug erfuhren wir von der Mutter des Piloten, die neben uns saß, dass dieses auch die einzig größere Maschine von Namibia Airlines ist. Heute ist Namibia unabhängig. Die Landessprache ist Englisch. Das fördert einige Kuriositäten zutage. Die meisten Bewohner dieses Landes sind des Englischen gar nicht mächtig und so müssen sie es von Leuten lernen, die es selber gar nicht können. Einige Wörter des deutschen sind in der Kultur so tief verwurzelt, dass sie nicht ersetzt werden. Mir fiele besonders die Bezeichnungen des Back- und Konditorgewerbes auf. Im Flugzeug wurden wir nach dem Servieren gefragt, ob wir »another Brötchen« haben wollen. Diese Kombination, noch nie vorher gehört, schmeichelte ein Lächeln in mich hinein und wird wohl dort für immer verbleiben.

Windhoek

Aus dem Flieger laufen wir erst einmal über das Rollfeld. Ich bin total aufgeregt. Das erste Mal Afrika Kontakt. Noch scheint es nicht so wirklich fremd. Einfach eine lange betonierte Piste und ein Flugzeug. Wirklich nur eins. Sonst scheint die Sonne. Das wiederum hatte ich erwartet. So, nun erst einmal unseren reservierten Mietwagen abholen. Jede kleinste Schramme wird notiert und von beiden Parteien quittiert. Von jedem Reifen wird die Marke, das Herstellungsjahr und die Profiltiefe aufgeschrieben. Das hatte ich noch nie. Das wird ja ein Spaß beim Abgeben. Nun aber los. Der Tag ist noch früh, aber die Temperatur im Wage steigt rasant. Erste Fehler: Keine Klimaanlage! Die Stadt an sich ist sehr beschaulich. Wir fahren einmal die Straße rauf und runter und suchen unser Quartier. Eine ruhige breite Seitenstraße. Kein Mensch auf der Straße. Hohe Zäune. Na ja?! Wir finden unser Haus, steigen aus und suchen die Klingel. Kaum am Zaun wird das Fenster aufgerissen und gefragt, was wir wollen. Wir fangen an uns zu erklären und werden abrupt mit gestoppt mit den Worten: »Fahrt erst mal mit dem Auto in die Schleuse« Ein Fragezeichen schwebt in der Blase über meinem Kopf. Als gut. Fahren wir den Wagen rein. Ungelogen. Es ist eine Schleuse. Das äußere Tor öffnet sich wie von Geisterhand. Wir fahren ein, bis ein weiteres uns stoppt. Das äußere Tor geht zu und wir sind gefangen, gleich der Ziege beim letzten Weidenaustrieb. Komisch, komisch. Jetzt kommt durch ein kleines Gartentor die Besitzerin des Anwesens und fraget noch einmal nach unserem Begehr. In mir keimt langsam der Verdacht, nur durch meine Hautfarbe die erste Hürde genommen zu haben. Die ganze Situation entspannt sich sofort und wir werden in Deutsch begrüßt und willkommen geheißen. Nachfolgend erhalten wir noch ein paar Instruktionen wie man sich in Afrika so bewegt und was zu beachten ist, sollte man den Wunsch haben, seinem Leben kein Ende zu bereiten. Eine gewisse Unsicherheit gepaart mit einem mulmigen Gefühl macht sich in meinem Körper breit. Nach 3 Stunden Afrika. Hätte ich echt nicht erwartet. Wir wollten in die Stadtmitte laufen – Instruktion: Das lasst mal schön bleiben – zu gefährlich – nehmt den Wagen und steigt nicht aus – wenn es doch unbedingt nötig sein soll, lasst nichts im Wagen – seit wieder hier bevor es dunkel wird – nehmt niemand mit – kauft nix von den Straßenhändlern… Also im Grunde wäre es besser wir würden es ganz sein lassen.

So geht das nicht. Jedenfalls nicht mit mir. Jetzt muss ich mich schon vor unserer Herbergsmutter verstellen. Wir fahren also mit dem Auto. In der Stadt such ich als Erstes einen Parkplatz. Mitten in der Hauptstraße, weithin einsehbar. Eine Parkuhr fordert durch ihren leeren Schlitz unerbittlich eine Münze. Ich versuch gerade das System sowie die Kosten zu studieren, als ich von einem Passanten angesprochen werde. Die Parkuhr sei kaputt, aber er sei durch die Stadt autorisiert, die Gebühren einzukassieren und er werde es sich auch nicht nehmen lassen, auf unseren Wagen aufzupassen, bis wir ihn wieder abholen. Mir erscheint das sehr suspekt. Nach den ganzen frisch gelernten Regeln kann es ja nur heißen, dass unser Auto schnellstmöglich geklaut wird. Na mal sehn. Ich frage freundlich nach dem Preis für seine Dienstleistung. Umgerechnet verlangt er 10cent. Für wie lange, ward meine nächste Frage. »Bis ihr halt wieder kommt« Ich erwähne, dass es auch mehr als eine Stunde dauern könnte. »Ja – Ja ich bin hier« Etwas mulmig lasse ich das Fahrzeug, dessen Profiltiefen ich genauestes weiß, in der heißen Sonne Afrikas alleine. Die einzig genannte Adresse zum Essen ist ein Tappasladen. Also rein. Wir essen einigermaßen und kommen nach 3 Stunden wieder am Auto an. Unser Aufpasser hockt 10 Meter weiter auf einem Sims. Im Aufstehen erkennt er uns, winkt kurz und setzt sich wieder hin. Ich geh zu ihm und frage, was er nun bekommt. Er antwortet, dass wir doch schon bezahlt hätten. Ich drücke ihm nochmals 10 cent in die Hand – die Preise versauen will ich ja auch nicht – und bedanke mich bei ihm mit der Erklärung, dass es etwas länger gedauert hat und es somit angemessen sei. Zögerlich erstrahlt er und nimmt das Geld. Es wird langsam dunkel – falsch – die Sonne knallt hier in einem Affen-Tempo runter, sodass wir es gerade noch schaffen, bevor ihre letzten Strahlen hinterm Horizont verschwinden. Es fehlte ja noch, wenn ich der Herbergsmutter erklären müsste, warum ich erst jetzt komme.

Am nächsten Morgen:

Wir suchen die Bäckerei. Mittlerweile ist tatsächlich Bakery angeschrieben. Auch die Verkäuferinnen versuchen es zunächst auf Englisch, was sie aber nicht davon abhält, die deutschen Backwarennamen zu verwenden. Also slised Streuselkuchen. Irgendwann ist im Gespräch das Englisch total verschwunden und wir kommen gut zurecht.

Eins unserer Ziele ist der Etoscha Nationalpark in welchen man nur kommt mit einem vorher gebuchten Permit. So suchen wir die Nationalparkverwaltung auf. Es ist ein kleiner länglicher Raum – flurähnlich beschreibt es am besten – an dessen langer Seite zwei Schreibtische stehen. Hinter denen sitzen zwei schoki Angestellte. Wir fragen auf Englisch nach dem gewünschten Permit und einer Unterkunft in einer der Lodges im Park. Sie schauen uns sehr freundlich an und dann sich selbst. Ein wenig gestottertes Englisch, was ich überhaupt nicht verstehe. Ich also zu S: wir müssen versuche ihnen zu erklären, dass wir gerne in den Park möchte und dort auch ein Quartier bräuchten. Wie von Geisterhand zaubert nun die Angestellte ein Formular hervor, welches wir mit unseren Namen versehen müssen. Der Permit ist erledigt. Dann legt sie uns noch eine Preisliste von der Lodge vor und umkreist eine Rubrik mit dem Stift. Ich sage zu S, dass er ihr mal auf Englisch sagen solle, dass wir es buchen wollen. Die Angestellte hatte schon verstanden, aber wir wollten sie nicht entblößen und sagten es folgend auf Englisch. Schon merkwürdig – sie verstand fließend Deutsch, wollte aber kein Wort sagen. Ich werde noch lernen, woran das lag.

 

Namibia route

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