Mal raus

Berlin Brandenburg

14 Tage Homeoffice! Was sich einst doch so verlockend anhörte, scheint doch nicht ideal zu sein. Wie oft wünschte man sich in der Frühe, besonders im kalten Winter, ein viertel Stündchen länger in des Bettes Kuschligkeit ausharren zu dürfen. Heute könntest du schlafen so lange wie du wolltest. Da macht es doch gar keinen Spaß mehr. Worin liegt denn noch der Reiz? Kein Gegenüber, kein Anarchismus! Also stehe ich zur gewohnten Zeit auf und mache das gewohnte Gesicht dazu. Setze mich an den Computer und fange wie gewohnt an. GG zieht in ihr Zimmer und ist auch nicht mehr gesehen. Gegen 2 kommt sie nach vorne und fragt: »Was’n mit Mittach?« Ja was ist damit? Sonst habe ich an jedem Arbeitstag eine soziale Verpflichtung nie versäumt. Das gemeinsame Mittagessen regelmäßig um halb 12. Frau tauscht sich aus, lästert ein wenig rum, macht Scherze und beklagt das Essen oder das Wetter. Heute schleiche ich mich in die Küche und öffne den Kühlschrank. Was ist von unseren Hamsterkäufen noch übrig? Dann geht es ans Gemüseschnippeln und … Kaum das Essen verspeist geht es wieder vor den Bildschirm. GG zieht von dannen. Draußen lacht die Sonne. Ich glaub sie lacht mich aus. Ich sitze hier – ist ja Arbeitszeit – und sie scheint draußen. Ich könnte doch einfach rausgehen. Merkt ja keiner. Alleine ist ja auch erlaubt. Musst halt nur ’nen Wanderstock mitnehmen. Kann ja auch abends weiterarbeiten. In mir diskutieren Ying und Yang. Ich lass sie mal und mach mich an die Arbeit. Im Endeffekt sitz ich auch noch abends da, weil ich denke, das ist noch nicht fertig. Schlechtes Gewissen würde mich plagen, sollte jemand mich fragen, was ich denn getan, den ganzen Tag.  GG kommt spätabends herüber und fragt mich allen Ernstes: Immer noch am Arbeiten? Grade sie, welche vor einer Sekunde noch eine Videokonferenz hatte.

So vergehen die Tage. Keine sozialen Kontakte außer mit GG. Am Anfang freute ich mich auf die bevorstehende Zeit zusammen. Viel mehr sehen wir uns aber auch nicht. Und wenn wir irgendjemand sehen, sind das wir. Auf die Dauer auch anstrengend. Immer mehr fallen die Sachen auf, die immer mal gemacht werden sollten, aber dann aufgrund des schönen Wetters verschoben worden sind. Da könnt mal aufgeräumt werden; da müsste mal nachgestrichen werden; hier fehlt noch ein Möbel und da ein Teppich um die Wohnung so richtig gemütlich zu machen. So ist es dann so weit, dass wir etwas aneinandergeraten, wer was macht und wer nicht und wer darf überhaupt und zu der jetzigen Zeit. Inselkoller! Schlecht für diejenigen, welche einen Partner haben, welcher sich motorisch nicht unter Kontrolle. In Berlin haben sie schon zwei Hotels für geschlagene Frauen beschlagnahmt. Hoffentlich nutzen die Frauen die Erkenntnis und gleichsam die Chance. Glücklicherweise haben wir noch einen Garten. Ich überlege, ob es überhaupt rechtens ist, dort hinzufahren. Sind die Grenzen zu Brandenburg schon geschlossen? So muss sich es ein Berliner am 13. August 61 gefragt haben. Ich wage mein Glück, tanke bis oben hin voll – man weiß ja nie – und los. Geruhsam geht es durch Berlin. Keine Hektik, kein Stress und die Fahrer sind außergewöhnlich relaxt. Man kann ja auch keinem so richtig vermitteln, es eilig zu haben. Im Garten alles friedlich.

Die Wiese steht im satten Grün. Ich geh an den Fluss. Beharrlich, wie seit alters her, fließen seine Wasser gen Süden. Ein Vogel kommt geflogen und setzt sich nieder, ein paar Meter von mir entfernt. Wir schauen uns an und kommen ins Gespräch. Ich: »Hey, wie geht’s dir mit Corona? Rafft ja grad viele Menschen dahin. Und dann dieses Homeoffice. Schlimm – oder?« Uccello »Hast schon mal was von Vogelpest gehört? Von Singvögeljägern, Pestiziden, nix mehr zu Essen, verdrecktem Wasser, Windmühlen, Baumfällern, Menschen? « Ich schweig betroffen. Gut das wir darüber geredet haben. Aber alle Uccelli machen weiter, versuchen, was geht. In meinem Garten hat leider auch das große Baumsterben nicht haltgemacht. Hier, wo des Menschen Werk so weit entfernt erscheint. Die Luft wirkt klar, das Wasser rein. Und doch. Hier haben die Menschen den Fluss um 20cm angehoben. Die uralten Eschen am Ufer konnten sich darauf nicht mehr einstellen. Heißt ja nicht umsonst – einen alten Baum verpflanzt man nicht. Jahr für Jahr weniger Blätter, bis dass sie es ganz einstellen. Schade. Die große Birke – ja eine Pflanze, die selbst in unwirtlicher Gegend zurechtkommt – tot. Der alte knorrige Apfelbaum – er steht noch da. Die Früchte werden immer kleiner und die Blütenpracht – einst berauschend üppig – mit jedem Jahr geringer. Ich dank ihm trotzdem und Respekt. Diesen Winter hat es nun die Fichten erwischt. Ungläubig stehe ich vor den 20 Meter hohen kahlen Korpen. Das sieht ja aus, wie in Kanada. Die können doch nicht ersoffen sein, denn sie stehen am weitesten vom Fluss entfernt auf einer Böschung. Sie sind offensichtlich heimgesucht von einem Schädling. Die Rinde von den noch Lebenden blutet und die der anderen blättert ab wie die Haut eins Verwesenden. Ich denk so ◊ Deprimierend ◊ als mich der Geist des Baumes fragt ◊ was denkst du wie es sich für mich anfühlt? ◊ Als Kind noch denkend, so´n Baum kann nichts was anhaben, werde ich immer mehr belehrt. So wie dieser Baum verstrickt ist in dem Mantel des Lebens, sind es auch wir, nicht nur in der Wirtschaft. Schneidest du irgendwo einen Faden durch, nimmt die Laufmasche ihren Lauf, bis dann nur noch lose Fäden übrig sind. Das dann wieder zu irgendetwas Behütenden zu machen, ist schon sehr aufwendig. Aber was machen die Menschen. Jeder läuft hier mit ´ner Nagelschere rum. Wie dumm! Dann versuchen ein paar Wenige den Faden zu erhaschen, um die Ausbreitung des Loches zu verhindern. Die stehen aber dem Mehren des Geldes im Wege. Heute zu singen, so alt wie ein Baum zu werden, könnte ein Schuss in die falsche Richtung sein. Mein Freund, der Baum, ist tot – trifft es immer öfter. Was wird die Menschheit machen, ohne ihre Freunde?

Schauen wir uns ein wenig die Schlagzeilen an. In den USA sind die steigenden Zahlen erschreckend. Dazu komm, dass das Gesundheitssystem nur für die Reichen gemacht und auch nur von ihnen bezahlt werden kann. Kein Kündigungsschutz führt zur sofortigen Kündigung aller, sobald ein Geschäft schließen muss. Donald rudert hin und her. Es sieht immer noch nicht, dass er das Schiff nicht lenken kann. Er schickt Militär in Corona-Hotspots, New York, „An allen Fronten“ wolle er das Virus bekämpfen, warnt vor „schrecklicher Zeit“, 2600 Tote pro Tag. Noch vor kurzem erzählte er, der Virus werde einfach verschwinden. Führende Analysten und Ökonomen rechnen mit riesigen Kredit-Ausfällen. Trump hingegen fragt sich „Wie kann es sein, dass der Bedarf an Masken von 10.000 plötzlich auf 300.000 steigt?“, fragt er. „Gehen die Masken zur Hintertür raus?“

Israel, wo wir geraden noch waren, hat ja schon eine Weile die Grenzen dicht und Ausgangssperre. Die Ultraorthodoxen juckt das gar nicht, denn sie vertrauen auf Gott. Verwunderlicher Weise sind in diesen Vierteln explodierende Ansteckungszahlen. Die Angesteckten vertrauen dann nicht mehr in Gott, sondern den medizinischen Kenntnissen der Weltlichen. Warum? Wenn Gott ihnen die Seuche schickt, dann um Gottes Willen, sollen sie sie auch als eine von Gottes Gnaden sehen. Nein, die Gelehrten bestehen auf ihren Unterricht, um die Jungen Bäume zu biegen und dann würde alles gut. Ich würd die mal machen lassen. So hart es sich auch anhört. Wer so denkt und darauf besteht, dass Frauen hinten einsteigen, der hat aus meiner Sicht das Recht auf Gott zu vertrauen. Macht euer Ding, nur nehmt den Andern nicht die Betten weg!

Gegen Abend mach ich mich wieder auf den Weg, schaue in den Himmel und denke »Die Sonne scheint immer noch und hat ´ne tolle Korona trotz Corona «

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