Wir sind heute zu einem Besuch der Kültür Üniversitesi. Es geht natürlich um die Unterschiede der Kultur. Also nicht nur zwischen den verschiedenen Ländern sondern auch zwischen dir und mir.  Auch wenn die Türkei gerade sehr weltoffen erscheint, sind da doch noch einige Unterschiede zu spüren im Umgang miteinander. Manchmal ist es ja auch zum Vorteil. Nicht alles was die im Westen machen ist so optimal. Hier merkt man, wie lange der Mann das Sagen hatte. Klar laufen hier die jungen Frauen ziemlich selbstbewusst herum. Den Professor in Frage zu stellen, käme aber nie in Frage. Anders verhält es sich mit dem weiblichen Personal. Auch wenn es wesentlich gebildeter und in der Hierarchie höher angesiedelt, merkt man, dass der Mann dieses nur sehr wiederwillig akzeptiert. Kommt Zeit kommt die Gewöhnung daran.
Wir versuchen hier das Problem von Abrigale zu lösen. Neue Kultur, neue Hintergründe neue Lösungsansätze. Leider scheitern sie hier genau wie überall. Schade. So wird Abrigale nicht finden können das Glück. Oder sie hat es schon gefunden und darf es nicht behalten. Die Lösung ist eigentlich keine Lösung ohne Loslösung von irgendetwas dir Bedeutenden.  Es würde anders gehen aber die daraus erforderliche Änderung wäre zu groß – obwohl für mindestens 90% angenehmer.
Nun genug des Studierens und Debattierens. Es geht in diese tolle quirlige Stadt. Ich freu mich schon darauf. Mit Einheimischen hier rum zu ziehen und die Lebensart auf eine andere Art zu erfahren, reizt sehr.
Unser erster Anlaufpunkt ist die Yerebatan-Zisterne. Dieses Wasserreservoir hat Konstantin angelegt, damit seine Holden immer genug Wasser zum Baden haben, vermute ich mal. Das ist schon sehr lange her. Heute findet man hier einige Fische, die sich diesen Platz gefallen lassen. Na aj – es ist wohl immer Wasser da und dieses ist auch sehr sauber, habe ich gehört, aber so im Dunkeln?
Hier ein paar umgekehrte Medusenhäupter. Ich habe nicht genau rausgefunden, was sie bedeuten.
Gleich über die Straße ist die Hagia Sophia. Vor dem Gebäude sehe ich zum ersten Mal so ein paar total verhüllte Frauen. Wer hat sich denn nur so etwas ausgedacht? Wenden wir das kulturell an kann ich nur sagen, dass das in dem Zusammenhang nur kultureller Missbrauch an sich bedeutet. Also Missbrauch der Kultur. Der Mann denkt, dass er so sein ‚Eigentum‘ schützen kann vor Blicken und Begehr. Wobei er sich doch auch gerne mit seinem ‚Eigentum‘ brüsten wolle. Nun kann er das auch tun, egal von welcher Schönheit Stern sein Weibe geküsst ward. Unglücklicher Weise ist diese Kleidung nun alles andere als hilfreich bei Erfüllung dieser Wünsche und des Mannes Zufriedenheit. Versteckte Früchte sind bekanntlich am begehrlichsten. Entschuldigen kann der Mann seine Diskriminierung der Frau mit der angeblichen langen Kultur, die dieses vorschreibt. Ich könnt es sicher noch ewig weiter ausführen. Lassen wir den Mann nun mal nach Hause kommen. Schnell stellt sich heraus, wer hier die Hosen an. Ich bin mir sicher, es wird sich nirgends auf der Welt anders darstellen. Und da jeder es weiß, ist eigentlich nicht notwendig diesen Terz daraus zu machen.
So um die 500 Jahre nach Christi erbaut und heilige Weisheit genannt, wurde diese byzantinische Kirche später eine Moschee und heute ein Museum. Das hört sich ein wenig verwirrend an. Ich versuche mal ein wenig Aufzuklären. Die Römer mussten sich ja überall mit gigantischen Bauwerken auszeichnen. So eine spätantike Großkirche ist doch was, dachte sich Justinian. Wohl denn. Klar wird da nicht gekleckert sondern geklotzt. Also eine supergroße Kuppel – ich mein eine der größten Freitragenden – und nicht zu nennende Fülle an Insignien. Halb 1500 kamen dann die Osmanen in die Stadt. Ihnen gefiel es so gut, dass sie sie für sich vereinnahmten. Klar ist dabei der eine oder andere niedere Waffenträger um ein paar Jahre seines anstrengenden Lebens gekommen, aber wir wollen ja nicht kleinlich sein. Was nun mit der Kirchen? Abreißen erschien den neuen Herrschern auch nicht wirklich ökonomisch. Also ein wenig Lehm aus dem Flussbett geklaubt und rauf auf die Verzierungen, Glocken verbuddeln, und noch ein paar Teppiche ausgelegt – voilà fertig ist die Moschee. Das Witzigste daran ist, das fortan der Bau von Moscheen an dieses sakrale Bauwerk angelehnt wurde. Guggst du genau hin hat das nun gar nix mehr mit Religion zu tun…
Atatürk regte nun an, die Geschichte dieses Bauwerks wieder zum Vorschein zu bringen. Da begann man die verdeckten Insignien wieder frei zu legen. Erstaunlich, dass das diese vielen Jahrhunderte überdauerten. Ob der Traum hier die Mitte das Christentums zu fixieren je Wirklichkeit werden wird – momentan habe ich meine Zweifel.
Einmal um den Block kommst du zu der Sultanahmet Camii Moschee. Warum nur musste hier noch so eine große Moschee gebaut werden? Heute – klar –ist sie DIE Moschee. Uns lockt die Aussicht auf die vielen blauen Fliesen.
Als Erstes bekommen die Damen ein ansprechenderes Outfit. Ja ich mag es und sie bekommen eindeutig ein Foto von mir. Durch den Strom der Touristen wird das Andächtige ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Wie soll man´s machen?
Wir gehen Richtung Topkapi Sarayi einen ehemaligen osmanischen Palast. Oben auf einem Hügel über den Bosporus zu schauen, verspricht sehr angenehm zu sein.
Die türkischen Studenten haben zu allen Museen freien Eintritt. Wir als partizipierende des Seminars sind sozusagen eingeschlossen. So steuern wir dem Eingang entgegen. Ich inmitten der Gruppe junger lachender Mädchen. Plötzlich steuert der Einlassverwalter auf mich zu und fragt irgend etwas. Ich bleibe verdutzt stehen. Die Mädels rechts und links haken mich unter und erklären ihm, dass ich zu ihnen gehöre. Ich bin ein wenig verwirrt. Warum hat er mich den aus dieser Gruppe gewählt? Was ist das, was mich von den Anderen unterscheidet? Frei heraus wähle ich das wenigst Schmerzliche. Ich seh nicht wie ein Durchschnittstürke aus. Schmerzlich wird mir allenthalben bewusst, dass all die jungen Frauen um mich herum haben nur hab so viele Jahre. Geistig fühlte ich mich dieser Gruppe durchaus zugehörig. Lachend und albernd durch die Straßen ziehend. Irgendwie hab ich gar nicht mitbekommen, dass ich schon so alt geworden. Muss ich jetzt anfangen mich altersmäßig adäquat zu verhalten? Ich sinniere meine letzten Jahre. Wie oft habe ich bei irgendwelchen studentischen Partys auf der Couch rumgelümmelt? Aus meiner Sicht war ich genau da wo ich hin gehöre. Meine Schwester behauptet mal, ich sei wie Peter Pan, welcher nicht alt werden wolle. Ich hatte es nicht verstanden. Ich bemühe mich doch gar nicht. Nun dachte ich noch mal darüber nach und verstand ein wenig, was sie meinte. Es liegt nicht an der Mühe sondern am Können. Na ja – egal. Einschneidend war die Erkenntnis schon.
Der Garten ist schön, schattig und ruhig.
Auch am nächsten Tag planen wir einen Ausflug. Na so ganz richtig ist das nicht formuliert. Ein Ausflug wurde für uns geplant und wir planen lediglich daran teil zu haben. Es soll den ganzen Bosporus entlang gehen bis zu seiner Öffnung am schwarzen Meer in Anadolu. Mit dem Schiff.
Los geht es unten am Hafen HaydarpaÅŸa
In Anadolu gehen wir den Hügel hinauf zur Yoros Kalesi. Die Griechen errichteten diese Bauwerk zu Ehren von Zeus. Dieser hat ihnen wohl lange gegen die Goten und alle Anderen, die da von Norden kamen beigestanden. Als die Osmanen kamen, strich er wie auch die Griechen die Segel. Gleichwohl ist der Blick nicht schlecht. Kann mir auch vorstellen, das du hier mit einer einfachen Steinschleuder der Liniengaleere Konstanza-Alexandria einiges Ungemach beifügen könntest.
Zurück geht es mit dem Bus. Bis zur Brücke geht es noch ganz flott. Kaum in Ortakoy stehen wir mehr als wir fahren. Ich frage meine Nachbarn, ob das normal sei. Er meinte, dass es heute ganz gut läuft. Hä? So ein bissel im Gespräch kommt dann heraus, das der soziale Druck doch schon noch sehr hoch. Wenn du irgendein besseren Posten hast, kannst du einfach nicht mehr die Öffentlichen nutzen. Ja und es gibt viel mehr die denken, sie hätten einen guten Job.Oder die Anderen tun so als ob.Alles bringt Verkehr auf die Straße.
Hier bummeln wir ein wenig am Ufer entlang und schlendern über eine Markt. Eigentlich ein ganz netter Kiez. Nur die Schwierigkeit hier hin zu kommen.
Taksim – so nennt sich der Stadtteil, welche auf der Asiatischen Seite auf dem Hügel ist.  Hier aß ich das leckerste Eis wo gibt. Viele kleine Geschäfte säumen die unzähligen Gassen. Eine alte Straßenbahn verkehrt auf dem Grat. Wir gehen Essen.
Am letzten Tag gehen wir auf oder in den großen Basar. Die kleinen Stände scheinen kein Ende zu nehmen. Genauso wenig klar die Richtung der vielen fremdländischen Gerüche.
Um ein paar angesagte Stadtviertel zu erreichen nehmen wir die Bahn. Die zu besuchenden Orte erscheinen dagegen in ganz kleinem Licht. Bahn fährt hier offensichtlich keiner. Schon gar nicht Jemand, der irgendetwas auf sich hält. Für mich war’s so ein Erlebnis.
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