Island 1992 🇮🇸

Island – ja wie kommt man nach Island? Ehrlich gesagt, war dieses Land eines der Ersten, welches ich besuchte, als ich die Möglichkeit bekam, mich frei in der Welt zu bewegen.

Es war sehr teuer und gewissermaßen finanziert durch meinen damaligen Vermieter, welcher unbedingt eine Sanierung in meiner Wohnung machen wollte. Als kleines Trostpflaster für die Umstände und die zu erwartende Mietsteigerung drückte er mir ein wenig Geld in die Hand. Dieses reichte für eine Woche Island. Ob ich nicht lieber für einen Monat nach Amerika hätte fahren sollen? Dafür hätte das Geld auch gereicht. Es war halt bloß noch nicht auf meiner Liste. 1991 flogen genau zwei kleine Maschinen alle zwei Tage aus Deutschland nach Island. Die eine flog um 23:45 und die andere um 23:55 von Frankfurt. Einen anderen Flugplan hätte ich durchaus sinnvoller gefunden. Ich kam also in dieser kleinen Maschine ein wenig ins Gespräch mit allen Anwesenden. Das Flugpersonal klärte uns über den Grund dieser Flugtabelle auf. Die letzten beiden Startfenster des Flughafens seien am günstigsten. Eine größere Maschine hätten sie nicht und sie bekämen Rabatt, wenn sie so dicht hintereinander fliegen. Das ergibt Sinn. Viele der Mitfliegenden waren Rucksacktouristen. Einige hatten das Fahrrad dabei, welches die Fluggesellschaft ohne End-Geld transportierte. Da wurde ich neidisch (Das legte sich im Laufe der Reise). Ich hatte einen Mietwagen genommen. Unglaubliche 200DM am Tag kostet alleine die Miete. Der Liter kostet 2DM – bei uns in Deutschland kostet er gerade 1.07DM. Egal, das Geld war ja so unverhofft in mein Leben gekommen und so machte es mir nichts aus, wenn es genauso schnell dahin floss, woher es kam.

 

In Reykjavik angekommen war es sehr familiär. Ein wirklich kleiner Flughafen. Alles sehr übersichtlich. Die Tabelle mit den Flügen des Tages – unspektakulär auf einer Seite solcher Anzeigentafeln mit den klappernden Buchstaben.

Diese haben irgendwie einen magischen Bann. Wenn du mal längere Zeit im Flughafen verbracht hast, kommst du irgendwann in den Genuss, deinen Warteplatz genau vor solch einer Tafel zu haben. Es ist irgendwie ein auserlesenes Gefühl, wenn eine Maschine endlich abgehoben ist. Alle notierten Flüge haben nun das Anrecht auf eine höhere Zeilenposition. Jede einzelne Stelle wird Buchstabe für Buchstabe durchgeblättert bis der gewünschte an vorderster Stelle steht. Dann die nächste Stelle angegangen bis zum Ende der Zeile. Ist diese eingestellt, beginnt alles in der Zeile unter dieser. Bei so zwanzig Flügen auf der Tafel dauert es schon eine Weile, bis die letzte Stelle dem entspricht, was wir sehen sollen. Kaum ist es getan, wird wieder etwas verändert und das ganze fängt von vorne an. Ich schaute die ganze Zeit gebannt auf die Tafel und war erfreut wie erleichtert als sich auf ihr keine Buchstaben mehr veränderten. Gleichzeitig aber auch so ungeduldig auf das erneute anstoßen des Prozesses. Das Ende vom Lied – ich wurde ausgerufen um den Flug nicht zu verpassen. Bei dieser ganzen Starrerei hatte ich aufgehört, zu lesen, was da stand und zugleich vollkommen vergessen, warum ich eigentlich da sitze. Heute gibt es diese Art von Tafeln nicht mehr. Wie das zu werten ist überlasse ich jedem einzelnen.

Wir also den Mietwagen abgeholt. Ein ganz normaler Toyota mit ca 9km Laufleistung. Selbstverständlich schärfte man uns nochmals ein, keine Straßen zu befahren, die nur für Vierradantrieb gedacht sind.

Zusammenfassend beschreibe ich mal kurz meine Erinnerungen:

Reykjavik

Es ist eine nette kleine Stadt in der nicht wirklich die Luft brennt.

Island
Reykjavik

Die Leute sind nett und immer zu einem Gespräch bereit. Ausländer habe ich so gut wie nicht gesehen. Eines hat sich aber tief in meine Erinnerungen gebrannt – Der Stau! Es ist in keiner Stadt Islands eigentlich ein Stau notwendig. In der Hauptstadt leben 250000 von den 30000 Einwohnern. Parallel zu der Haupteinkaufsstraße laufen relativ breite Straßen, wo absolut nichts los war. Also warum ist hier Stau? Ich betrachtete es eine Weile. Ein Auto kommt langsam diese Einbahnstraße entlang. Sieht der Fahrer irgendjemand den er kennt, hält er erst mal an. Es wird gegrüßt und ein wenig gequatscht. Die Fahrer hinter diesem Fahrzeug sind nicht etwa grimmig. Nein, die sehen irgendwie gut gelaunt aus. Komisch. In Berlin würde man solchen Fahrern Beine machen. Na ja und je länger ich das beobachte, umso komischer kommt es mir vor. Den habe ich doch eben schon mal gesehen in der Schlange. Ich kam mit einem Einheimischen ins Gespräch. Dieser erläuterte mir dieses Stau Spiel. Es ist hier nichts los und im ausländischen Fernsehen wird immer über Stau berichtet. So haben wir uns gedacht, dass wir selber so was auch hinkriegen. Voila. Alle sind froh wenn gestoppt wird aus welchem Grund auch immer, sonst würde das ganze ja nicht funktionieren. OK –wo er recht hat, hat er recht.

Landstraßen

Die Straßen außerhalb von Ortschaften waren nicht gepflastert oder asphaltiert. Eine festgefahrene Sandpiste beschreibt am nahesten den Zustand dieser Straßen.

Island
Island

Diese Pisten werden ständig gewartet. Ein vor uns fahrender LKW neigte plötzlich seine Ladefläche (bei voller Fahrt) und der ganze Sand kippte vor unser Auto, um von unseren Reifen wieder zu einer geraden Sandpiste geformt zu werden. Ich brauchte etwas Zeit, mich daran zu gewöhnen. Zum Fahrradfahren aber absolut ungeeignet. Da du die meiste Zeit auf diesen Straße alleine unterwegs bist, freust du dich über jedwede Abwechslung, die nicht von dieser rauen wie auch schönen Landschaft ausgeht. Eins der Spiele, welches unter den Einheimischen sehr beliebt ist, und dem ich mich auch nicht entziehen konnte, ist: „Wer ist der Erste auf der Brücke“. Die Brücken im Land sind meistens einspurig. Das bedeutet – kein Gegenverkehr. Du fährst also so durchs Land und hinterlässt eine weit sichtbare Staubwolke hinter dir. Vor dir tut sich ein Fluss auf. Über diesen führt gewöhnlicher Weise eine Brücke. Sofort schweift dein Blick zum Horizont. Siehst du da eine Stabwolke auf die Brücke zufahren dann gibst du erst mal Gas. Der Fahrer auf der anderen Seite tut es dir gleich, sobald er deiner gewahr wird. Beide rasen auf die Brücke zu. Der Wagen verliert fast den Kontakt zum Boden und hüpft einem Frosch gleich über diese Piste. In den Kurven ist driften noch das wenigste, was du da machst. Egal. Wer zuerst auf der Brücke ist, darf fahren. Der Verlierer muss meist scharf bremsen und vor der Brücke warten, bis sie wieder frei ist. Beim Vorbeifahren wird noch gelächelt und gegrüßt. Im Kopf geistert dann so etwas herum: “Danke für das Spiel. Das war eine willkommene Abwechslung und du warst ein würdiger Gegner“.

Corso

Der Mittelpunkt kleinerer Ortschaften ist meistens die Tankstelle. Dort ist ein Laden, ein Kaffee, Restaurant oder eine Kneipe, ein Autoabspritzschlauch und natürlich der halbe Ort versammelt. Ganz klar konnte ich mir nicht erklären, was zuerst da war. Jedenfalls könnte man sagen, was da ist, ist jedenfalls hier. Um diesen Ort ist die Straße oft asphaltiert. So ein zwei Kilometer. Es wird also in dem Restaurant gesessen und plötzlich geht man raus, steigt in sein Auto, um mit möglichst viel tam tam diesen Straßenabschnitt auf und ab zu fahren. Danach geht es wieder rein, als wenn nichts passiert wäre. Sicherlich werden da irgendwo Haltungsnoten notiert. Dieses geschah aber so unscheinbar, dass ich es nicht bemerkte.

In Island ist nichts eingezäunt

Fährst du durch das Land und willst irgendwo hin, stehst du plötzlich vor einem Zaun. Was nun? Wir also aus dem Auto und geschaut: wo ist das nächste Haus? Dort angekommen klopft man an die Tür und wird freudig hereingebeten. Hier ist jeder froh über Abwechslung. Die vermeidlichen Ortsnahmen auf unserer Karte sind die Namen derer, die dort wohnen, oder zuerst dort gewohnt haben, sollte der Ort aus mehr als einer Farm bestehen. Dann wirst du erst mal freudig begrüßt und dir wird bei einer Tasse Tee erklärt, dass Zäune nur für das Vieh da sind. Das finde ich äußerst toll. Leider hat es einen kleinen Nebeneffekt. Der durchschnittliche Europäer hat ja im Laufe seiner Evolution verlernt, eigenverantwortlich zu handeln. Entweder steht ein Schild, dass du das oder jenes nicht ohne eine gewisse Gefahr für dein Leben ausführen kannst, einfacher noch, dass diese Handlung einfach mal verboten ist, oder dass du hier alles auf eigene Gefahr tust. Wie gehe ich nun mit dem Land um, ohne diese entscheidenden Hinweise? Im Nachhinein gesehen, äußerst fahrlässig. Wir wollten unbedingt den Geysir sehen. Als wir in der Gegend eintrafen war es schon dunkel. Wir fanden das Teil nicht. Kein Zaun, kein Schild. Nichts was auf ihn hinwies. Ich hatte auch ehrlich gesagt nicht so wirklich lange Lust, zu suchen. Morgen früh sehen wir weiter. Zelt aufbauen und schlafen, ist die Devise. Am nächsten Morgen kletterte ich barfuß aus dem Zelt und erschrak darüber, dass das Wasser was da durch meine Zehen rann, sehr warm war. Ein paar Meter weiter war ein Loch an dessen Rand Sedimente das Gras verdrängt hatten. Interessant. Neugierig wie ich nun mal bin, schaute ich in das Loch. Hä? Kommt da Wasser oder was steigt da hoch mit wahnsinniger Geschwindigkeit? Ich hatte gerade noch Zeit meinen Kopf zurückzuziehen und einen großen Sprung zu machen.

IslandEs war der Geysir. Total beeindruckend. Am Zelt zurück holte ich ein paar Eier und kochte sie in dem heißen Strom vorm Zelt.

Die andere Gegebenheit, die mein Leben doch bis heute beeinflusst, ist folgende. Dettifoss. Foss werden hier in Island die Wasserfälle genannt. Der Genannte befindet sich im Norden der Insel und lässt das Wasser circa 45 Meter in die Tiefe stürzen. Ich musste nun unbedingt, bedingt durch das Fehlen der Warnschilder, an der Abbruchkante auf den dort aus dem Wasser schauenden Felsen bis zur Mitte hüpfen, weil ich ein tolles Foto machen wollte.

Island
Dettifoss

Ohne Zweifel habe ich einen tollen Ausblick gehabt. Als ich aber meinen Blick nach unten richtete, folgend dem Wasser, entstand da irgendwie ein Sog in mir, der mich sehr beängstigte. Das Wasser fließt rechts und links von dir in einer wahnsinnst Geschwindigkeit vorbei, um dann im Quasi nichts zu verschwinden. Zieht dich irgendwie runter, was zugegebenermaßen etwas ungesund wäre. Zurück bin ich dann nicht so anmutig von Stein zu Stein gesprungen. Also ,wie soll ich´s ausdrücken? ´Das musst du mal gemacht haben´ erscheint mir nicht wirklich angebracht, wobei du dann wirklich fühlen würdest, was ich meine.

Wer sich sehr begeistert für die vulkanischen Aktivitäten, wird in Island auch bedient. Ebenso hier wieder kein Zaun und keine Schilder. Ich sah also die zischenden und dampfenden Fumarolen und Schlammlöcher und musste natürlich gleich hin. Du wanderst zwischen diesen aktiven Löchern und erschreckst jedes Mal, wenn hinter dir einem Teekessel gleich eine Fontaine heißen Dampfes aus der Erde schießt.

Reykjahild
Reykjahlíð

Die gelösten Minerale kondensieren zu feinsten Strukturen an den Austritten, genauso wie sie deiner Nase die feinsten Gerüche beibringen. Es war wirklich toll. Das nächste Auto hielt sofort an und der Fahrer rief, ob ich nicht ganz dicht wäre. Irgendetwas in der Art. Er erklärte mir, dass der Boden sehr viele Hohlräume hat, die einstürzen können, sehr spröde ist und die Temperatur in einer Tiefe von 2cm ca 100°C beträgt. Das ist sicher nicht besonders angenehm, dort zu versinken.

Resümee: Island ist toll.

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