Hung Hrih – Om Let 🇫🇷

[Lorraine]

Bedingt durch meine Neugier und den Wunsch meiner Partnerin, lande ich wiederholt auf durchaus interessanten Veranstaltungen, die eine große Herausforderung in jedweder Hinsicht darstellen. Heute schlagen wir auf dem buddhistischen Sommercamp in Bärenthal auf.   🌍 (🇬🇧 translate article)

Dieses ist eine zu fünf Achteln vom Walde eingefasst, am Hang gelegene Wiese, gegürtelt durch die Reihe Häuser, welche der Veranstaltung Schutz vor den kosmischen Gewalten offeriert. Die Sonne lacht kaum zu überbieten und vereinzelt ziehen Schäfchenwolken durch das leuchtende Blau.
Kommen wir zu den Schäfchen, die hier gerufen und jetzt über der Wiese Grün wuseln. Zum einen sind da die ewig Lächelnden. Ihr kennt sie sicher. Sie sind ohne Ecken und Kanten, formlos und nicht die kleinste Unebenheit zum Einhaken. Wie ein Frosch oder Öltropfen auf der Wasseroberfläche. Nicht zu fassen. Du kannst zu ihnen sagen, was du willst. Nichts soll die angedeutete tiefe Glückseligkeit zerstören. Einzig das eine Femtosekunde kurze Blitzen in den Augen verrät dir, dass sie ein neues Gewicht auf deine unangenehme Bewertungsseite der Waage legten, wenn du ihnen »Du doof« ins Gesicht sagtest. Sie fühlen sich der Lehre und Weisheit ihres angebeteten Allwissenden so nahe, wie entfernt sie eigentlich davon sind. Ich kann mit ihnen nichts anfangen.

Natürlich sind nicht alle, die lächeln, von diesem Schlag. Eine nicht geringe Anzahl ist auch einfach nur nett und freut sich vieler Dinge. Diese unkomplizierten, weltoffenen Toleranzträger sind mir die liebsten. Diese akzeptieren eine weitere Wahrheit neben der ihrigen.
Wenn ich nicht zu klein menge, erwähne ich nun noch die Scheinverstehenden. Spricht der Vortragende von relativ Belanglosem, so sind sie die »aahhh« raunenden, um ihr Verstehen zu manifestieren. Selbst wenn der Karminrote ihnen darlegt, dass sie nichts verstehen.

Die Vortragenden, also Rinpoche, Karmapa und die anderen Lamas sind mir da sehr viel sympathischer. Sie sagen frei heraus, dass es im Buddhismus nicht um Personenkult und schon gar nicht um ihre Wenigkeit ginge. Die Aaahh-sagenden sagen natürlich »aahh« und fallen vor ihm auf die Knie. Auch wenn der Lama nicht weiß, was er den Zuhörern erzählen soll, so warten sie gebannt. Einmal erzählte er in der Hilflosigkeit, die ihm zur Verfügung gestellte Zeit zu füllen, dass er versuchte ein Musikinstrument zu spielen und dann feststellte, es sei nichts für ihn. Gut. Habe ich auch schon probiert, festgestellt wie auch gesagt. Keiner betete mich dabei an – Gott sei Dank. In diesen Kreisen feiern es einige als große Offenbarung. Wiederholt habe ich die Lamas erklären gehört, wie einfach es doch sei zu verstehen, wenn man die Augen aufmache. Gleichwohl ließen sie vernehmen, dass keiner es von den hier Anwesenden seit dem letzten Treffen versucht zu haben scheint.

Am sympathischen fand ich dieses Mal die Geschichte, wie die Lamas in die Pizzeria essen gehen. Der Unterlama hatte sich eine nicht vegetarische geordert und erschreckt bei Servierung sich vermeintlicher Worte erinnert, Tierisches zu vermeiden. So drehte er die Pizza kurzerhand auf links, noch bevor der Oberlama den Belag erkunden konnte. Dieser wiederum sah erstaunt auf die für ihn etwas merkwürdige Art, eine Pizza zu verspeisen. Unterlama »Ich esse die immer so!« Der Oberlama gab sich nicht wirklich zufrieden damit, begann aber seine Pizza konzentrisch, von innen heraus, zu schneiden wie auch zu essen. Spirituell gäbe es dafür keine Erfordernis. Anders hätte er jedoch auch nicht den verbleibenden Rand als Kopfschmuck tragen können. Für mich ist das verständlich, völlig unbefangen auf eine kindliche Art, glücklich die Welt zu genießen, wenn es nicht anders erforderlich ist. Als nun doch noch der eigentliche Belag, hier sozusagen Grundlage, ans Licht kam, entschuldigte sich der Unterlama damit, dass ihm die Worte des Oberlama tierisches zu vermeiden, bei Bestellung nicht deutlich im Vordergrund erschienen. Der Oberlama erhob sich, nahm das Ohr des Anderen zwischen Daumen und Finger und sagte: »Alter Mann, das habe ich nie gesagt!«

Für mich ist dieses alles ein wenig widersprüchlich. Zum einen sind die Erleuchteten dabei, verspielt die Lücke zwischen Wahrheit und Lüge zu nutzen. Anderseits wird von hungrigen Geistern erzählt, die es zu versorgen gilt. Uns wiederum wird eine Teilnahme am Mahl auch gegen ein Entgelt verwehret. Kann sein durch meine Unerfahrenheit seh ich nicht die Konfluenz alles Wissens, aller Dinge in dieser Gesellschaft.

Gemeinhin vertrete ich ja einen etwas anderen Ansatz. Im Himalaya habe ich schon ausgiebig Karma Punkte gesammelt. Sollte ein Hilfsbedürftiger indessen einen benötigen, so gebe ich gern. Da das Universum nicht ungerecht ist, wird es mich schon allein für die Geste belohnen, mit – ja ratet mal! Wie du es auch drehst. Du kannst nicht verlieren. Im Diesseits habe ich so die Idee – sagen wir mal – des rotierenden Gefallens. Also den Gefallen an sich, losgelöst von seinem monetären Wert und dem Aufwand. Wenn ich also jemand in einer Notlage helfe und er mich danach fragt, was ich dafür bekomme, antworte ich: »Helfe jemanden der Hilfe braucht und wir sind quitt.« Sollte ich mal Hilfe brauchen, bin ich mir sicher, der Gefallen kommt zu mir zurück. Somit ist das Universum wieder im Gleichgewicht. Keiner hat etwas verloren, aber alle dabei gewonnen.

Nachmittags war das große Ereignis, auf welches sich schon jedes Kinderherz sehnlichst freute. Sweet Revolution, wie ich es nenne. Putsch oder so, nenne es die Wissenden (Puja). Jetzt kurz der Ablauf.

Tonnen von Süßigkeiten, die auch Somalia eine Woche mit dem Nötigsten versorgen könnten, werden sehr liebevoll und einfallsreich auf Tellern vorbereitet.

Der Lama gurgelt guttural einige Mantras und viele stimmen ein. Der Sound, der durch den Raum schwebt, ist echt nicht schlecht.

Wer will, bekommt einen neuen Haarschnitt.

Als Belohnung für diese Tätigkeit erhält ein jeder der anwesenden Lamas eine Mords-Süßigkeit.

Die Jungfern huldigen nochmals mit Lied und Gesang, worauf sich jede einen Teller schnappt und deren Inhalt auf die schon sehnsüchtig Wartenden verteilt.

Es wird zugegriffen. Zaghaft nehme ich einen Keks.

Die Fülle erschlägt mich. In der katholischen Kirche erhält man auch nur ein Gebäck und alle sind zufrieden. Um mich herum wird in der Fülle geschwelgt und Haufen von errafften Süßigkeiten türmen sich auf den Gebetsteppichen. Damit fliegen die garantiert nicht mehr weg. Wenn schon ein Keks Leute glücklich machen kann, wie glücklich müssen dann erst die hier Anwesenden ihren weiteren Weg gehen, denke ich. Die Potenzierung der Glückseligkeit durch Mehr erweist sich als Mär. War ja eigentlich klar.

Wir verabschieden uns langsam von unseren Bekannten, wobei diese schon wieder versuchen, meinen Mond irgendwo festzuknoten. Ich verwehre mich, dem Mond auch noch meine Belange aufzubürden. Er erleuchtet mir meinen Weg im Dunkeln, was doch wohl Gefallen genug sei. Ihm noch das Geschick jedes Einzelnen der gesamten Menschheit aufzubürden, würde ihm womöglich so schwer, dass er sich nicht mehr halten könnt und auf die Erde knalle. Damit sei keinem gedient. So knote ich den Mond los, damit er ziehen kann ungestört seine Bahn, wie auch ich mich begebe auf die meine, genannt A4.

 

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