Hati Hati (5) 🇮🇩

Indonesien

Yogyakarta: Am 05.12. müssen wir in Bali sein und gleichfalls muss dann unbedingt der Flughafen arbeiten, sonst reißt der Faden für den weiteren Verlauf. Momentan hängen wir mitten auf Java. Um noch etwas zu sehen, beschließen wir, den Landweg zu nutzen. Die Entfernung ist nicht wirklich groß, wenn man aber ans Planen geht, stellt sich schnell heraus, wie lange so etwas dauern kann.

iMaps berechnet bis zur Fähre 4 Stunden. Im realen indonesischen Gewusel benötigt man allerdings drei Tage. Eine Möglichkeit wäre der Zug. Der als Expresszug ausgewiesene, bräuchte für die halbe Strecke 12 Stunden, wenn denn ein Ticket zu bekommen wäre. Die andere Hälfte müsste man mit einem normalen Zug fahren. Das bedeutet, an jeder Milchkanne anzuhalten und ein paar Hühner und Frühlingszwiebeln von dem Bauer dir gegenüber, auf dem Schoß zu haben.

Nächste Option wäre ein Bus. Dieser sollt im Platzangebot noch enger sein und du könntest auch den optimalen Platz erwischen, Indonesien hautnah zu erleben, wenn du die 12 Stunden den Platz außen am Fenster hängend hast. Zusätzlich gibt es ein paar Minibusse, die Touren anbieten. Straffer Zeitplan und keine Zeit zu schlafen oder mal eine unvorhergesehene Pipipause einzulegen. Letzte Möglichkeit ist, ein Fahrer zu mieten, nebst Auto. Wir entschieden uns dafür, obwohl uns dieses Unterfangen mehrere Millionen kostete.

Wie nun muss man sich hier die Straßenverhältnisse vorstellen. Es ist nicht einfach zu erklären. Erst mal muss man sagen, es gibt keine Bürgersteige und trotzdem spielt sich das Leben hier auf der Straße ab. Der eine schreinert grade aus ein paar Hölzern Möbel, während sein Kind die rostige Schraube des Automechanikers nebenan als Beißhilfe für die ersten Zähne benutzt und die Bananen in den Abgasen eines kurz vor dem verrecken stehenden Lasters geräuchert werden.. Millionen von Mopeds, die alles Mögliche transportieren.

Mittenmang immer die Kinder, tollende Hühner, Rikschas… Mit dem Wagen bist du echt der langsamste in diesem Ameisenhaufen. Die Fläche vor den Häusern ist mit allerlei Kruschtel gefüllt, welchen ich eher als Zeugs ansehe, was entsorgt werden sollt. Hier allerdings hat es noch irgendwelchen Wert. Von abgefahrenen Autoreifen bis zerkrümelten Ytongsteinen. Ein klappriger Gaul zieht geschwind eine mords Fuhre durch abgasgeschwängerte Luft, keine Zeit darüber nachzudenken, ob sein Leben ein Geschenk Gottes ist oder eine Bürde.

Es gibt natürlich auch Tankstellen. Die eindringlichste war die, die ein junges Mädchen betrieb. Sie stand da mit einer Tonne am Wegesrand und schöpfte jedem gegen ein gewisses Salär etwas von der darin enthaltenden Flüssigkeit ins Auto. Ja, so schafft man Vollbeschäftigung. Kurz und gut • ne lang und länger. Rechne mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20km/h und du liegst nicht so falsch. Auch hat es sich mir noch nicht erschlossen, an welcher roten Ampel man tatsächlich hält und welche man zu ignorieren hat. Ein weiteres Kuriosum sind die Verkehrsleiter. Bist du nichts oder nicht gefragt, dann stellst du dich mit einer Trillerpfeife einfach mal auf die nächste Kreuzung und alle machen, was du willst. Hast du dein Selbstbewusstsein genug aufgebaut, gehst du wieder nach Hause. Das erspart dir die Springerstiefel und die fremdenfeindlichen Rufe. Hat schon was.

Auch die Technik wird hier ganz anders gehandhabt. Die muss hier hart im Nehmen sein. Gemacht wird erst dann etwas, wenn dir dein Gefährt unterm Hintern zusammenbricht. Solange es noch irgendwie geht, wird es benutzt. Die ersten 50km für die wir mehr als 2Stunden brauchten, fühlten sich an, nicht aus der Stadt gekommen zu sein.

 

 

Ständig dieses mehr rumstehen als fahren. Ich finde ja, asiatische Städte sind so groß, dass sie eigentlich an ihrer eigenen Last zugrunde gehen müssten. Und diese Last meine ich in mannigfaltiger Weise.

 

 

 


Einer unserer wenigen Stopps auf dieser Fahrt ist ein sehr alter Tempel einer, ja man kann sagen, untergegangenen Kultur. Wunderschön gelegen und etwas versaut.

 

 

 

Candi Sukuh

Weiter geht’s bergauf bergab. Wir überqueren die Grenze zu Ostjava. Fast schlagartig wird die Bevölkerungsdichte geringer. Im Osten will auch von den Indonesiern keiner leben, dünkt mich. Ich find’s nicht schlecht. Kann wohl meinen Ursprung nicht verhehlen.

12:00 der Nebel steigt pünktlich übers Land und formt die Regenwolken, welche dann ihre Fracht unaufhörlich über uns ergießen. Millimeter um Millimeter knapsen wir unserem Weg ab. Die wenigen geforderten Pipipausen erbauen auch nicht gerade das Gemüt. Es wird vor einem Supermarkt gehalten. Da gehst du nach hinten, ins vor Chemiedämpfen nur so strotzende Lager und findest eine versiffte Tür. Hinter dieser ein kleiner Raum, mit einem im Boden eingelassenen Keramikloch und ein großer Bottich Wasser mit einer Schöpfkelle. Du weißt, was zu tun ist.

Ich muss mich revidieren. Bei den Hauptstraßen ist neben der eigentlichen Fahrbahn dieser Streifen Asphalt, der so langsam ins Gelände übergeht. Dieser Multifunktionsstreifen dient dem Durianverkäufer als Verkaufsfläche, den Jugendlichen um gesehen zu werden, den Mopeds als Fahrbahn und den Autos als Überholstreifen. Das Ganze dann noch im Dunkeln. Ich sag nur »extra Hati Hati«

Nach 14 Stunden Fahrt sind wir da.

 

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