GST, NVA, die bewaffneten Kräfte und Ich

Das ist hier so als Hommage gedacht an Dinge oder Institutionen welche mein Leben veränderten. Ganz ehrlich – ich sitz grad am Flughafen im Terminal und mir ist total langweilig. Irgendwie kam letztens das Gespräch auf Armee und… ich schreibs halt mal auf.

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Schon als sehr kleiner Bub, habe ich nicht so richtig verstanden, warum der Mensch anstrebt, seine eigene Art so effektiv wie möglich zu bekämpfen. Alle großen Erfindungen basieren auf der Idee, einen militärischen Vorteil zu erheischen. Sicher hat die Menschheit schon früh erkannt, dass der Mensch die größte Bedrohung an sich auf diesem Planeten ist. Man mag es als eine Ironie des Göttlichen ansehen, dass er gleichzeitig damit beauftragt wurd, diese Bedrohung zu eliminieren.

Aufgewachsen in einer Zeit, wo noch ein jeder Junge die Pflicht hatte, eine Zeit bei den Streitkräften absolvieren zu müssen um daraus gestärkt für alle Aggressionen des Nachbarn oder die des eigenen Landes hervorzugehen, was natürlich vollkommen illusorisch ist, fürchtete ich mich vor dem Moment, in dem mir der Einberufungsentscheid zugestellt werden würde. Nicht nur das ich es verabscheute eine Waffe zu tragen und auch noch gezwungen sein könnte diese zu benutzen, war ich noch nie ein gefügiger Diener der Obrigkeit. Schon in der Schule, bei einer Befragung, wie ich mir vorstellen könnte am besten unser Vaterland zu verteidigen, antwortete ich zum Entsetzen der Anwesenden: „Auf intelligente Wesen zu schießen ist mir zuwider, schon gar, wenn sie sich nur einen anderen Platz für ihr weiteres Leben aussuchen“. Eventuell ist es dem System geschuldet, welches nur Mannen, die kollinear mit dem System waren förderte. Ich, welcher immer ein wenig unter dem Radar flog, was mir die Bezeichnung als politischem Tiefflieger einbrachte, versuchte immer einen Weg zu finden um meine Bedürfnisse zu erreichen und dabei so wenig wie möglich mit dem System zu kollaborieren. Es sprach also alles dagegen mich dafür einzusetzen es zu schützen, fand ich.

In der Schulzeit kam man nicht umhin, sich frühmilitärisch ausbilden zu lassen. Sie nannten das Gesellschaft für Sport und Technik. Der Sport war Ertüchtigung zum Laufen übers Feld um den feindlichen Kanonen als Futter zu dienen. Die Technik beschränkte sich auf das Führen einer Waffe. Einmal im Jahr fand dann so ein Art Boot Camp statt. Ich konnte mich irgendwie davon befreien. Heute hab ich vergessen wie ich das anstellte. Jedenfalls wurde ich mit ein paar Anderen meines Jahrganges dazu verdonnert, den Schulhof und dessen Grünanlagen in Schuss zu bekommen. So hackten wir da etwas unwillig und unproduktiv zwischen den Büschen herum. Fegten da und fegten dort. Mir ist heute noch nicht ganz klar warum, aber plötzlich schlug eine Klasse französischer Schüler auf. Diese hingen nun mehr oder weniger unbeaufsichtigt da rum. So beschlossen wir die Gastrolle zu übernehmen. Da ich oft meines Hauses Schlüssel verlegte, war ich nicht ganz ungeübt im Öffnen von Türen. So machte ich mich als erstes daran, die Stereoanlage aus dem Vorbereitungsraum zu holen. Wo nun hin damit? Jemand kam auf die Idee, die Kantine biete ausreichend Platz für eine anständige Partie. Gesagt getan. Wir, dem französischen nun überhaupt nicht mächtig, unser Gäste ebenso dem Deutschen, feierten dort, tranken Bier, lernten neue Tänze, bei denen wir uns an diese exotischen Schönheiten kuschelten. Gemäß dem sportlichen Motto öffneten wir noch die Turnhalle. Dort spielten wir Fußball, Basketball und stapelten etliche Sprungbretter, um bis ans Hallendach zu gelangen. Was war das toll so schwerelos durch die Halle zu fliegen um auf einer 150cm dicken Schaumstoffmatte zu landen. Diese Woche war wirklich fantastisch und gelernt haben wir auch eine Menge. Leider mussten wir danach aufräumen, was einige Mühe bereitete. Überall lagen leere Flaschen, von den Kippen ganz zu schweigen. Auch musste der Geruch aus der Halle. Was haben wir geputzt und gewienert. Auch mussten wir noch ein wenig den Schulhof bearbeiten. Trotz Allem war es unvergesslich.

Das nächste Jahr hatte ich dann nicht so ein Glück. Alle Versuche mich dem zu entziehen scheiterten. Notgedrungen packte ich ein paar Habseligkeiten zusammen und auf ging’s in das Camp. Es lag mitten im Wald und fernab jeglicher Zivilisation. Zehn Minuten Fußmarsch und du warst an einem See.

Ich weiß nicht ob ein Jeder sich so vorstellen kann, was man bei einer frühmilitärischen Ausbildung so macht. Meisten musst du deinen Körper irgendwie bewegen und deine Ohren vernehmen dazu ständig irgendwelche Tiraden. Ich möchte mich hier nur auf ein paar kleine Episoden beschränken. Eines Tages sollte doch tatsächlich unsere Kampfestauglichkeit getestet werden. Bei diesem Manöver wurden wir in zwei Gruppen unterteilt. Die eine Gruppe sollte ein Gelände halten und die Andere es einnehmen. In dem zu haltenden Gelände befand sich zum Nachteil der Stürmenden, in welcher ich war, ein Holzturm der Forstwirtschaft. Sich da anzuschleichen und ihn einzunehmen stellte sich anfangs gar schwierig raus. Wie schon so oft gezeigt in der Historie, gibt es noch einen anderen Weg. Die pure unüberlegte Gewalt. Am Ende hatte wir das Gelände eingenommen nur leider war von dem so stolzen Turm nichts mehr übrig. Unsere Freude währte nicht lange. Die Obrigkeit wird gehörig Trouble mit der Forstwirtschaft bekommen und irgend einer muss dafür büßen. Ich wurde eingeteilt zum Wache stehen am Tor. Was für ein Irrsinn. Hier wollte garantiert keiner rein sondern alle nur raus. Es ärgerte mich schon ein wenig. Wir hatte doch genau das gemacht was sie uns aufgetragen. Mit allen Mitteln das Gelände erobern. Ich stand da schon eine Weile und sinnierte immer noch über mein Schicksal. Da kam einer von der herrschenden Mittelschicht und wollte passieren. Nicht mit mir! Ich fragte militärisch ob er den eine Ausgangskarte habe, ansonsten muss ich genauestens notieren die Zeit und das Ziel seines Entfernens vom Lager. Klar wussten alle, das die mal baden mal was trinken fuhren. Nun aber hatte ich meine Befehle. Es ging sprachlich etwas hin und her. Es kamen noch mehr die passieren wollten. Ich blieb hart, sie nicht. So schnell war ich noch nirgends eines Posten enthoben. Na ja – ganz optimal war meine neue Aufgabe auch nicht. Ich musste neben dem Tor am Zaun rumstehen was im laufe des Abends immer mehr dahin abdriftete, im Gras rumzuliegen. Es war langweilig aber ich wurde fortan in Ruhe gelassen. Abends hatte die Offiziere und einige Auserwählte eine Filmvorführung. Hat schon mal jemand beobachtet, dass man auf der Leinwand den Film auch von hinten sehen kann? Ich lag da also noch im Gras und schaute zu. Zwei Tage später wurden wir wieder für die allgemeinen Feldübungen zugelassen. Jetzt ging es darum den Feind aufzuspüren oder sich zu verstecken. Sie dachten wohl es wäre schlau, uns in die defensive Gruppe zu stecken. Kaum im Gelände, schnell ein Loch gegraben, Fleckenkostüm hinein und mit Laub und Äste getarnt. Nun im Laufschritt ins nächste Dorf. Wir tranken ein zwei Bier und gingen noch an den Dorf-See die heimischen Nymphen beobachten. Dort trat einer von uns in eine zerbrochene Flasche unter Wasser. Schnell gehen war nun nicht mehr möglich. Jedenfalls wurde es immer später. Den genauen Weg hatten wir auch nicht wirklich drauf. In der Nähe unserer Kompanie konnten wir nicht mal mehr die Hand vor Augen sehen so dunkel war es. Wie nur finden wir unsere Klamotten wieder? Mit Feuerzeug durchs trockene Unterholz. Wir habe sie tatsächlich gefunden und versuchen das erste Mal in so einer Art Formation ‚heimzukommen’. Ihr werdet nachvollziehen können, dass wir nicht wahnsinnig erpicht darauf waren gezeigt zu bekommen wo denn der Hammer hänge. So stellen wir uns beim Kommandanten ein und bringen eine Beschwerde vor. Wir hätte den ganzen Tag vor den Anderen Reißaus genommen ohne Verpflegung und Trinken und sind dann alleine im Wald zurückgelassen worden. Bei ihm war das schon in einer anderen Version angekommen. Wir bekamen erst Mal etwas Gutes zu essen und da keiner genau wusste, was da eigentlich passiert war, verständigte man sich schweigend, darüber zu schweigen. Was nun habe ich in dieser Ausbildung gelernt? Sicher nicht das, was sie versuchten uns beizubringen.

In der Lehre war mein nächster Kontakt mit der Gesellschaft für Sport und Technik. Hier nun wurde schon gesiebt, welche Position du bei deinem Wehrdienst wirst einnehmen. Ich stand auf der Sandlatscher Liste. Schütze Arsch im letzten Glied, oder wie man es auch immer nennt. Ich sah die Listen vorab bei einer Aufgabe, die ich in einem Labor zu tätigen hatte. Was tat ich? Ich trug mich geschickt in alle Listen ein. Diese Listen wurden dann am schwarzen Brett befestigt, damit ein Jeder weiß, wo er sich einzufinden hat.

Ich ging in die Ausbildung zum Militärkraftfahrer. Das erschien mir am wenigsten stressig. Nach einer halben Stunde wurde ich gesucht. Als sie mich fanden und maßregeln wollten, tat ich sehr unschuldig und zeigte auf die Liste. Sie staunten nicht schlecht, sahen aber den Fehler bei ihrer Organisation und schickten mich zurück in meine Klasse. So lernte ich, wie man einen LKW repariert und fährt. Das gute an der ganzen Sache war, dass ich gleich den Führerschein erhielt, was mich genau 66 OM kostete. So zog ich los ihn mir abzuholen. Ich hatte ihn auch schon in der Hand, als die Dame bemerkte, dass ich meine 18 Lenze noch nicht erreicht. Komm in einem Monat wieder, war ihre Ansage.

Im nächsten Jahr erhielt ich während dieser Zeit noch einen Typenschein für ein Fahrzeug Namens Ural. Das ist ein Ungetüm von einem Laster. Sechs Räder, einen Spritverbrauch von 1:1, ein Getriebe, welches sich anfühlte, als wenn du in einer Salatschüssel rührst, ein Spiel im Lenkgetriebe von 10º. War das Teil ausgelutscht! Einen Vorteil  hatte es aber. Es war nicht tot zu kriegen – quasi aus einem Stück gefeilt. Nach der Theorie fuhren wir damit auf einen Truppenübungsplatz. Wie beschreibe ich die Strecke? Es gab verschiedene Aufgaben. Findlinge einbetoniert, welche es vorsichtig zu überfahren galt. Rampen, Steigungen, Flussdurchfahrten Feinsanddurchquerungen. Ungünstiger Weise, war ich der Erste. Nachfolgend sollte ich als Beifahrer dienen. Man o Man, wurde mein Körper malträtiert. Einer der Schüler fuhr mit vollem Karacho durch den Findlingsparkur. Ich hatte nur kurzzeitig Kontakt mit meinem Allerwertesten. Hochgeschleudert ans Wagendach, wieder zurück und noch ein paar Male. Einer Weiterer kam auf der Rampe ab und schliff mit dem Unterboden über den Beton. Bei der Flussdurchfahrt hätten wir auch beinahe das Fahrzeug verloren, weil wir es nicht rechtzeitig darauf vorbereiteten. Einer schoss über eine Steilkurve in den Wald… Einzig im losen Sand gab es nie Probleme. Das Teil fuhr einfach hindurch.

Nun, eines schönen Tages fand ich in meinem Briefkasten eine Karte. Auch wenn schon zu judeischen Zeiten Boten ausgeschickt worden waren, welche die Menschen aufforderten sich schätzen zu lassen, schätzte ich es gar nicht, meine Kampfestauglichkeit schätzen zu lassen. Es führte kein Weg umhin. Den Dienst zu verweigern hatte nur zur Folge, noch mehr in seinem Bewegungsdrang eingeschränkt zu sein, da darauf ein Einfahren in die lokalen vergitterten Behausungen folgte. Zu meinem Erstaunen, erhielt ich bei dieser Musterung den abschließenden Bescheid, dass ich geeignet sei das Vaterland zu verteidigen. Ich malte mir schon aus, wie ich von etwas degenerierten möchtegern Helden über den Acker gescheucht werden werde um am Ende des Tages, völlig erschöpft, nicht mal eines Lobes würdig befunden zu sein.

Ich verabschiedete mich von allen meinen Freunden, Verwanden und dem normalen Leben. Schon Morgen würde es los gehen. Einmal noch runter in die Stadt, das Leben als quasi freier Mann, zu genießen. Meine Schwester schaute mich groß an und versuchte mich zu überreden, es zu lassen. Was kost die Welt, dachte ich und stieg auf mein Motorrad. In einer scharfen Kurve gewahr ich einen Streifen Sandes. Beide Räder versagten gleichzeitig der vorgegebenen Spur weiter folgen zu wollen. Fast am Straßenrand schaffte ich es noch einmal die Maschine wieder aufzurichten. Die Kurve war noch lange nicht zu ende und eine Straßenlaterne kam rasend schnell näher. Keine Chance. Ich muss irgendwie meine Richtung ändern. So sprang ich bei voller Fahrt von dem Motorrad, flog durch die Luft und rollte mich ab. Mit dem Knie schlug ich dabei an die Bordsteinkannte, kullerte über die Straße und kam zum Liegen. Das hat ein wenig weh getan, dachte ich bei mir. Viel Zeit zum länger darüber nachdenken hatte ich allerdings nicht. Hinter mir kam so ein uralter Lastwagen, schwarz vom Kohlenstaub und voll beladen mit Kohlen. Die Bremsen dieses Gefährts schienen nicht vertrauenswürdig. Ich muss hier weg! Schnellstmöglich alle meine verstreuten Knochen berappend, versuchte ich mich von der Fahrbahn zu bewegen. Der Laster im Rücken mit ächzenden Geräuschen der wohl einzig halbwegs funktionierenden Bremse des linken Vorderrades. Irgend etwas ist hier faul. Mein rechtes Bein macht nicht das was es soll. Mit Schwung nach vorne geschleudert, auftreten und schon knickt es wieder ein. Ein beherzter Sprung und ich kullerte die Böschung hinunter. Ok was nun? Glück im Unglück. Hinter dem Kohlelaster fuhr ein Krankenwagen. Dieser sammelte mich als gleich ein und brachte mich ins Krankenhaus. Dort lag ich nun am ersten Mai, wo doch die meisten „Rot Front“ rufend durch die Straßen liefen. Es musste nun erst mal ein Arzt aufgetrieben werden, welcher bereit war, dem abzusagen. Ich lag da nun auf der Bahre und fand, es gibt Schlimmeres. Als es mir zu lange dauerte, wollte ich mir erst mal die Beine vertreten. Ich stützte mich auf und es knirschte wie nie zuvor in meiner Hand. Eine merkwürdige Wölbung am Mittelhandknochen, welcher flexibler war als ich jäh zu hoffen gewagt. Das schien mir nicht so gewollt. Kurzerhand drückte ich den Knochen in seine angestammte Position. Na bitte, sieht doch aus wie neu. Aufstehen verschob ich erst ein Mal. Was jetzt kommt ist sicherlich klar. Der Arzt kam, röntgen, und die Nachricht, dass da wohl einiges zu Bruch gegangen. Meine Schwestern kamen heulend an. Sie hatten schon diese Vorahnung gehabt. Ich, der darnieder lag, musste sie erst mal aufrichten. Verkehrte Welt. Sicher war ich noch überfüllt mit Adrenalin, so spürte ich weder den Schmerz noch irgendwelche Beklemmungen. Sicher ist mein grundsätzlicher Optimismus auch ein wenig daran schuld. Wird schon wieder – ist nicht so schlimm – bis jetzt ist es ganz gut gelaufen – war eher das, was mir durch den Kopf ging.

Die Operation schon am nächsten Morgen. Ich fiel in Ohnmacht, als mir die Anästhesistin erklärte, ich solle von 100 langsam rückwärts zählen und sie die Spritze ansetzte. Ich glaub ich bin nur bis 98 gekommen, dann war ich weg. Hatten sie auch noch nie gehabt, wurde mir versichert. Aufwachen in einem dunklen Krankenzimmer. Ich war noch ganz benommen aber langsam holte mich die Realität ein. Neben mir lag Jemand mit einer Zigarette im Mund. Hä? Er sagte hallo und erklärte mir, dass sie schon Angst hatten, ich würde nie mehr aufwachen. Vor ein paar Stunden hätten sie mit aller Macht versucht mich zu einer Regung zu überreden, bis ich dann mit dem Arm um mich gerudert hätte, sie sollen mich in Ruhe lassen. Mist. Völlig daneben, forderte ich ihn auf mir die Zigarette zu geben. Am nächsten Morgen berichtet er mir dann, ich hätte einmal gezogen, dann wäre ich bewusstlos zurückgefallen. Die Zigarette landete glücklicher Weise auf dem Boden und er musste erst mal jemanden von nebenan rufen um sie wieder aufzuklauben. Mein junger Körper war wohl nicht vertraut mit all den Betäubungsmitteln und etwas überfordert.

Natürlich war ich jetzt einmal nicht für den Dienst tauglich und selbstverständlich haben sie mich schon gesucht, bis sie mich dann hier fanden. Von meinem Bekanntenkreis vermisste mich niemand, da sie mich alle bei der Armee vermuteten.

So ans Bett gefesselt zu sein machte es nicht leichter. Vor unserem Fenster war nur eine Wand aus Waschbeton. Die erste Woche trieb mich nur ein Gedanken. Was mag da Draußen so alles sein. Ich war nicht fähig es raus zu bekommen. Auch das Essen war anfangs etwas schwierig. Das Personal hatte keine Zeit mir das Fleisch zu schneiden. Ich mit der einen Hand im Gibbs. Kurzerhand entfernte ich das Ungetüm. Schon besser. Als nächstes wollt ich nun unbedingt nicht mehr in die Bettpfanne machen. Was ist schlimmer als diese Pein und so ausgeliefert zu sein. Mittlerweile war auch das andere Bett belegt. Dieser hatte so viele Liebschaften, dass das Problem sie zu organisieren größer war als der Meniskus, der ihn herführte. Diese Beiden überredete ich, mich mit Seilen zu stabilisieren, während ich gegenüber zum Klo wankte. Krücken hatte ich keine. Was war ich froh, als es glückte. Nun gingen die endlosen Tage dahin. Rechts und Links kam viel Besuch, welche immer einen Vorrat an Bier mitbrachten. Es machte es einfacher. Irgendwann war das Transport Problem zu groß und sie brachten stärkere Sachen. Glücklicherweise wurde mein Bett gebraucht sonst wäre ich zum Alkoholiker geworden. Einem Westdeutschen hatte es aber die Rettung bedeutet. Er war unter Alkohol gefahren und ein anderer, auch völlig betrunken, ist in ihn reingerast. Als die Polizei ihn befragte und en Bluttest machte, waren wir Zeugen, dass er nach dem Schreck hier erst mal etwas bekommen hat. Ungläubig zogen sie ab.

Nach dieser Zeit dachte ich darüber nach, in meinem Leben etwas zu ändern. Ich saß mit meinem Kumpel in einer Kneipe und wir waren etwas desillusioniert von unserer Perspektive und dem Job. Ich auch noch lange nicht genesen. Was tun? Wir beschlossen uns zum Studium einzuschreiben. Ich tat es wirklich als so eine Art Trotzreaktion. Mir wurden nicht viele Chancen ausgemalt, wirklich einen Platz zu bekommen. Ich machte mir ehrlich gesagt auch keine Hoffnungen. Doch jedes Mal, wenn ich an der UNI vorbei kam, fragte ich freundlich nach. Jedes Mal nahm die junge Dame meine Karteikarte heraus und wenn sie sie zurück steckte hatte ich einige Bewerber überholt. Wie gut, dass es noch keine Computer gab. So erhielt ich tatsächlich die Einladung ein Studium anzufangen. Jetzt kommen wir wieder zurück zur Armee. Ich brauchte, als noch nicht Gedienter, eine Erlaubnis dafür. Bekam ich auch. Ein halbes Jahr später riefen sie mich zu einer erneuten Musterung. Mit meinem Knie war ich ja nun wirklich nicht tauglich, befand ich. Bevor ich nun schreibe, muss ich ein wenig erläutern wie das normalerweise ablief. Keiner der Gerufenen hatte da irgendwelche Bedürfnisse zu äußern. Tatest du das, wurdest du auf den Schlechtesten aller Außenposten geschickt und bekamst den blödesten Job. Eine Schreckens Vorstellung war das Land der drei Meere. Sand Meer, Wald Meer nichts mehr. Wenn da der Freigang begann, kahmst du da nicht weg. Ich also zu Interview. Mir wurde verkündet, ich seie nun bereit und werde in einem Monat meinen Dienst antreten. Ich war sauer. Allen Warnungen zum Trotz regte ich mich fürchterlich auf. Natürlich darüber, dass unser System etwas mit mir vorhatte mit dem Studium und das ganze Geld und die Zeit nun zum Fenster rausgeworfen wären. Wie soll man denn so eine blühende Republik aufbauen? (Man muss auch das System nutzen können) Sie schauten kurz in ihre Akten, machten einen Vermerk und sagten mir: „Ach das haben wir übersehen. Wir sehen uns, wenn ihr Studium vorbei ist“ Nichts hatten die übersehen! Es war glücklicherweise nicht gut organisiert.

So konnte ich erst mal unbefangen mein Leben genießen. In dieser Zeit passierten natürlich viele Dinge, die ohne die Einberufung niemals geschehen wären. Als ich nun mein Studium erfolgreich abschließe, rechnete ich wegen meines Alters nicht mehr damit einberufen zu werden. Weit gefehlt. Ich erhielt wieder einen Musterungsbescheid. Wie nun kann ich das leidige Thema umgehen. Viele Dinge die von dem System gefordert konnte ich bisweilen auf meine Art lösen. Hier nun blieben sie beharrlich. Ein Studienkollege wies mich darauf hin, dass ja ein Dienst mit der Waffe nicht verpflichtend sei. Ich flugs ein Schreiben aufgesetzt in dem ich mitteilte, dass ich aus ethnischen und religiösen Gründen nicht bereit sei, eine Waffe zu führen. Das war ein Spaß. Mein Termin wurde verschoben aber nicht annulliert.

Es kommt wie es kommen musste. Am 2. November 1989 habe ich mich in meiner Einheit einzufinden als Spatensoldat. Toll! Zwischenzeitlich hatte ich erfahren, dass diese Spezies sehr hart rangenommen wird, weil die normalen Soldaten nicht denken sollten, die haben einen Lenz. Egal. Ich hab das mir so eingebrockt nun muss ich da auch durch.

So komme ich an einem sehr kalten Novembermorgen an. Du wirst dann erst mal mit der neuesten Mode ausstaffiert. Deine zivilen Klamotten werden in ein mitzubringendes Paket verpackt und nach Hause geschickt. Der Ausweis wird dir abgenommen, die Haare geschnitten und rasiert. Ich betrachte mich im Spiegel. Mir fiel nur der damalige Werbeslogan von Gillete ein. »Du siehst gut aus, man sieht‘s dir an, du hast es weit gebracht und wir geben dir, was dich erfolgreich macht« Ungünstiger Weise vergaß ich dabei, wo ich bin und habe es natürlich laut gesungen. Das brachte selbstverständlich keine Punkte bei der Obrigkeit. Erstens der Inhalt und Zweitens wusste jeder das es kam vom Klassenfeind. Wieder einmal hatte ich Glück im Unglück. Zu dieser bewegenden Zeit waren die Spatensoldaten als etwas Subversive eingestuft, welche die Kampfesmoral der Übrigen doch empfindlich stören konnten. So entschied das oberste Wehreskommando, diese an einem Ort zu komprimieren. Nun treffen also 150 Unwillige auf 4 Unteroffiziere. Was für ein idiotischer Plan. Schon am nächsten Morgen zu Frühsport wurden wir mit dem Befehl „Auf Genossen“ aus dem Bett gerufen. Ich bleib erst mal liegen. Auf die Frage warum ich meinen Arsch nicht bewege antworte ich: „Ich dachte nur die Genossen! Ich bin nicht in der Partei.“ Etwas Verwirrung in den Gesichtern. Wie gut, dass sie selber nicht genau wussten, wie sie mit uns umgehen sollen. Aber mahl ehrlich, um 5 in der Früh raus, bei minus 10°C. Wer will das schon? Na ja, ich wurde dann doch irgendwie genötigt, an der Veranstaltung teilzunehmen. Im städtischen Park sollten wir ein paar Runden drehen. Klar fand ich eine Abkürzung. Schon nach 4 Tagen wurde diese Pein beendet, weil es von den vier Hanseln nicht zu kontrollieren war. Mit den normalen Soldaten kamen wir nicht in Kontakt. Eine ganze Etage war für uns reserviert und auch ein separater Treppenaufgang. Auch die Etablierung eines selbstlaufenden Kodexes mit speziellen Begünstigungen Einiger, konnte bei uns nicht etabliert werden, weil sich dafür keiner fand. So war es mehr oder weniger ein herrenloser Haufen. Sie beschränkten sich darauf uns zu Lehrveranstaltungen für politische Bildung zu schicken. Auch das gaben sie schnell auf als wir nach aktuellen Ereignissen fragten. Es wurde langweilig. Wir wurden immer übermütiger. Wie jeder weiß, ist es Pflicht die Vorgesetzten ordnungsgemäß zu grüßen. Ich nun habe keine Ahnung von militärischen Rängen. Wen nun muss ich grüßen? Die einzige Beschäftigung die mir auferlegt wurde, gut ich habe mich selber gemeldet um nicht einen beschissenen Job zu bekommen, war die Post morgens zu holen. Der Ober-General kreuzte meinen Weg und seine Begleitung fragte mich doch allen Ernstes, ob ich nicht grüßen könne. Gehorsam saget ich: „Morjen – eh, wie soll ich sie ansprechen?“ So kam ich in den Genuss, den General persönlich aufsuchen zu dürfen. Der war eigentlich ganz ok und es schien mir, er ist mit uns etwas überrumpelt worden. So quatschten wir gemütlich und er versicherte mir immer für mich da zu sein, wenn ich ihn einigermaßen anständig grüßen würde. Den Diel ging ich ein. Nur einen Anderen grüßte ich. Das war so eine Blindniete, welcher sonst von keinem beachtet. Er lief immer mit den Händen in den Taschen über den Hof, was mich reizte. So riss er sich fast jedes Mal die Taschen ab um zurück zu Grüßen, was mir ein innerliches Lächeln bescherte in dieser tristen Umgebung. Ihn fragte ich auch nach einem Telefon um die zu Hause gebliebenen anrufen zu können. Es gebe hier so etwas nicht. Ich wunderte mich da doch jeden Dienenden dieses Recht zusteht. Wie sollte es kommen. Wir erhielten eine ständige Ausgangskarte um telefonieren gehen zu können an der Telefonzelle im Ort. Wieder mit der Auflage, den normal Dienenden nichts davon zu sagen. Wir gingen natürlich nicht zum Telefonieren sondern in die Kneipe und schauten was so los ist. In der Kantine waren wir auch nicht mit den Anderen zusammen. Einmal verschliefen ein paar aus unserem Zimmer unsere Zeit und wir stürmten singend „Wir haben Hunger, Hunger, Hunger, wir haben Durst“ die Treppen runter. Fragenden Blick empfingen uns. Sogleich bekamen wir den nächsten Tag Küchendienst. Was für eine Freude. Endlich mal was tun. Kartoffel schälen. Ich weiß es ist eine Schande aber wir schälten sehr großzügig. Grob – ein Schnitt links, einmal rechts oben und unten, fertig. In der Kantine wurden auch die Leckereien für die Generäle gelagert. Was für ein Schmaus und wir verließen das Verließ mit vollen Taschen. Den ganzen Tag rumhängen ist sehr langweilig. Auch wurden wir mit keinen Neuigkeiten versorgt. Ich muss etwas ändern. So Organisierte ich eine Beschaffungsaktion. Alles was nicht angeschraubt war, wurde in die Zimmer getragen. Ein Radio wäre nicht schlecht. Meine Idee aufgreifend zog sich mein Bettnachbar das erste Mal ordnungsgemäß an. Also volle Ausgehmontur. Dann verschwand er und kam mit einem Radio zurück. Genial, wo hast du das den her, fragte ich. Aus der Offiziersmesse! – Komm erzähl! Er ist also runter und tappt mitten in eine Besprechung, salutierte anständig und wurde gefragt was denn sein Begehr sei. Er antwortete militärisch, dass er den Auftrag hätte das Radio zur jährlichen Inspektion zu bringen. Es wurde ihm gewährt. Leider war in unserem Zimmer kein Antennenanschluss. Ich ging in den Flur und entferne kurzerhand das Kabel von der Beschallungsanlage. Das tröten war mir schon lange unangenehm. Jetzt lauschten wir gespannt den Ausführungen des Zentralkomitees, denn andere Sender waren hier nicht zu empfangen.

Irgendwie schafften wir es dann doch noch einen Sender des damals propagierten Feindes ins Radio einzustellen. Heute erinnere ich mich nur wage an ein trauriges Lied in dem es um einen Gummi Bär ging welcher grün und fluffig. Das sprach uns alle gleichermaßen an. Still saßen wir vor dem Radio. Jeder in seinen Assoziationen gefangen.

Am 9ten fiel die Mauer. Am 11ten sollte Vereidigung sein. Wir wollten nicht vereidigt werden. Mit einigem hin und her, unter Einschaltung von Berlin, wurde es uns freigestellt. Dafür sollten wir aber keinen Ausgang an diesem Tag erhalten. Wir beriefen uns auf die Satzung und erhielten ohne Vereidigung einen Tag frei. Meine Damalige stand vor dem Tor. Ich sagte nur: „Nach Berlin!“, obwohl es ausdrücklich verboten war, die Stadt zu verlassen. Jeder kennt die Situation, die in Berlin herrschte. An dem Grenzübergang Oberbaumbrücke hatte ich dann doch Zweifel. Ich hatte ja kein Ausweis. Mit dem Wehrdienstausweis über die Grenze? Soweit wollte ich den Bogen doch nicht überspannen. Wir beobachteten den Trouble und machten uns mitten in der Nacht auf den Rückweg. Kam natürlich zu spät, aber das hatte nun auch keine Folgen mehr. Den November saßen wir nur noch auf unseren Zimmern oder waren in der Kneipe. Das ist doch kein Zustand. Dieses Land war am zerbröckeln und keiner wusste was geht. So forcierten wir eine Änderung unseres Status. Schrieben an viele Behörden mit der Bitte doch irgend etwas nützliches tun zu können. Ob nun in einem Betrieb als Aushilfsarbeiter oder als Zivi. Ende November wurde unserer Bitte entsprochen. Viele gingen in Kombinate um die geflüchteten Arbeiter zu ersetzen. 11 Leute blieben. Auch ich! Wir hatten die Ausbildung als Militärkraftfahrer und sollten bei Bedarf einspringen. Die nächsten zwei Wochen war kein Bedarf. Nur rumsitzen. Wieder einmal brachten mich die Streitkräfte zu einem erhöhten Alkoholkonsum. Nach einigem Intervenieren durften wir als quasi Zivildienstleistende in Altenheime. Kurz war ich in Wildau, auch nicht wirklich weit von zu Hause, dann schaffte ich es in meinen Nachbarort. Das war nicht immer schön. Allenthalben empfehle ich einem jeden jungen Menschen diese Erfahrung. Mein Stationsleiter war glücklicherweise sehr aufgeschlossen. Er merkte schnell, dass ich medizinisch eher unterqualifiziert bin, jedoch große Fähigkeit habe mit den Alten zu sprechen. So wurde ich mehr und mehr der Seelsorger. Hatte meine Freiheit und durfte vieles so organisieren um es den Bewohnern heimischer zu gestallten. Er organisierte mir sogar eine ordentliche Bezahlung zusätzlich zu meinem Sold. Mit der Vereinigung der beiden Länder viel mein Status irgendwie weg. Jetzt war ich völlig losgelöst ohne Heimatland, ohne Status, ohne Ausweis, ohne Beschäftigung – obwohl ich nicht arbeitslos war.

Mit Trauern mussten sie mich gehen lassen.

Abschließend kann ich nur noch sagen, dass ich die Armee nun nicht unbedingt beste Freunde geworden sind aber durch diese Eingriffe in mein Leben, sich Einiges zu meinen Gunsten entwickelte. Zugegebenermaßen nicht zwanglos.