Dresden 🇩🇪

Lange ist es her. In meiner frühen Kindheit hatte ich jährlich das Bedürfnis wie auch die Pflicht, mich in die Stadt, in dem unterversorgten Tal aufzumachen. Als dann meine Großmutter sich aufmachte auf ihre letzte von mir bekannte Reise, änderte sich meine Beziehung zu dieser Stadt gründlich. Du verstehst sicher was mit dem Begriff Heimat gemeint ist. Nun ist es nicht so, dass die Quelle des Gefühls der eigentliche Ort an sich ist, sondern dieser zu der wird, weil sich darin jemand befindet, welcher mir irgendwie am Herzen liegt. Geht dieser Mensch woanders hin, wird sich mit ihm auch mein Gefühl des zu Hause seins verändern. So blieb für mich ein eigentümlich melancholisches Gefühl im Orte hängen welches auch meine Eindrücke und Emotionen in der Zeit einfror.

Heut nun muss ich beruflich nach Dresden. Nach kurzen zwei Stunden schon stehst du auf dem Hauptbahnhof und wirst in einer eigentümlichen Mundart begrüßt. Mein Weg führt mich in die UNI.
In der Mittagspause kommen wir mit den Einheimischen ins Gespräch. Na ja – man will ja nun nicht gleich negativ auffallen und so vermeidet man die lange Historie Deutschlands geflissentlich. Doch dann wendetete sich das Gespräch vom rein wissenschaftlichen dem leicht Ironischen zu und ich konnte mir nicht verkneifen, das Tal der Ahnungslosen zu erwähnen.[1] Mein Gegenüber stellte nun klar, das aus seiner Sicht, das System an sich keiner großen Änderung unterlag, allenthalben das Vorzeichen wechselte. Da ist was dran.

Nach der Veranstaltung hatten wir noch ca 90 Minuten bis unser Zug zurück fährt. Ich fragte meinen Kollegen ob er denn schon mal in Dresden gewesen sei. Als er verneinte aber Interesse am Erkunden bezeugte, bot ich ihm eine ultrakompakt Schnelltour feil.

Wir beginnen am neuen Markt. Da wo zu meinen Kindheitstagen nur Trümmer lagen, umrahmet von ostdeutschen Einheitsbetonfußwegplatten, steht heute die wieder aufgebaute Kirche mit all den ehemaligen Häusern drum herum.

Für ganz ganz alte Dresdner wirkt das sicher beruhigend normal. Für mich ist es zwar besser als diese Kriegsruine aber dennoch verwirrend.

In Tagen des Sozialismus scheint es nicht wirklich erforderlich den Adligen Herrschern früherer Jahrhunderte großes Ansehen zu zollen oder ihre in Knechtschaft der Arbeiter erzeugten Bauwerke, imposant in Vordergrund zu stellen. Nein eher das Gegenteil war der Fall. All diese alten Gemäuer wurden tunlichst vergessen. Tatsächlich gab man der Natur eine Chance diesen Teil der Geschichte zu assimilieren.  Unter Dornenbüschen wird keiner etwas Schönes vermuten. Abgesehen von Dornröschen natürlich. Heute ist alles von dem Gestrüpp (das Wort an sich kling auch nicht lieblich wo es doch gar nichts dafür kann) befreiet und erstrahlt neu, im alten Glanz.

Die Elbe war auch schon immer wie das. Nur damals fragten sich die meisten Leute wie sie die Konsistenz des zu Jura Zeit noch flüssigen Etwas bezeichnen würden. Man einigte sich darauf: Zum Schwimmen zu dick – zum Pflügen zu dünn. Auch erinnere ich mich meiner Großmutters Worte in diesem Fluss noch gebadet zu haben. Heute gibt es wieder Wirbeltiere in der Brühe und selbst das Baden soll nicht gleich zum Tode führen.

Schon ist die Tour auch schon wieder vorbei. Es geht über den Altmarkt und die Prager Straße zum Bahnhof. Hier ist nichts mehr wie es war. Klar hört sich das doof an. Immer in der Vergangenheit zu reden. Als junges Huhn hab ich das nie verstanden. Heute, mit ein paar Jahren auf dem Buckel, hat man halt die Möglichkeit des Vergleichs. Damals spielten wir auf wenig befahrenen Hauptstraßen und kletterten auf die Straßenbäume um die Gaslaternen zu manipulieren. Nichts davon ist nunmehr da. Ok – manches ist gut und manches nicht. Die gemütlichen Abende im Kreise der Familie am Kachelofen, dem einzigen warmen Plätzchen, vermisse ich schon, wenn ich es mit der schnelllebigen Zeit heute vergleiche.


[1] Zu Zeiten, da dieser Landstrich regieret wurde von dem Volke, war es das “Volk“, was entschied, keinen direkten Zugang zu den Medien des parasitären dahinsiechenden Kapitalismus herzustellen. Die nun hier lebenden Teile des Volkes waren somit informativ etwas unterversorgt. Freilich nicht mit Propagandamaterial der soz. Einheitspartei Deutschlands. Einheit hin oder her – alle waren sich einig, hier im Tal fehlt was)

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