Die Geschichte handelt von einer Hauptstadt, die ihr Ende hatte und einer ICE-Fahrt, die ein solches suchte.
Wir planen einen Ausflug in die vergangene Bundeshauptstadt.
Frühmorgens, zu einer Zeit, an der selbst der Hahn noch friedlich neben seiner Henne davon träumt, nicht vom Fuchs erwischt zu werden, und somit nach dem ersten Krähen der Tag gefüllet sein werde, mit endlosem Picken in sandiger Erde, um des Regenwurmes Köstlichkeit, habhaft zu werden.
Die Fahrt verlief normal. Das heißt, die Verspätung häufte sich im Laufe der zurückgelegten Strecke kontinuierlich an. In Köln war nun nicht klar, ob wir unseren Anschluss bekommen würden. Egal, ich habe es nicht eilig. Kurz vor der Einfahrt wurde durchgegeben, dass der Zug ausnahmsweise auf Gleis 4 ankommt. Komisch, da sollte unser Anschlusszug eigentlich losfahren. Auf dem Bahnsteig war den meisten Passagieren klar, dass der ICE rausfährt und dann unser Zug kommt. Ich schaue den Bahnsteig nach vorne. In weiter Ferne steht an der Anzeigetafel unser Zug. Sehr mysteriös. Wir machen uns auf den Weg nach vorne. Tatsache, da steht schon der Zug. Kaum sind wir eingestiegen, fährt er los. Meiner Meinung nach könnte eine Durchsage dazu führen, dass die Fahrgäste den Zug auch finden. Ich bin mir sicher, dass einige auf der Strecke blieben – oder besser gesagt auf dem Bahnhof. Es ist Zeit für einen morgendlichen Kaffee. So bleiben wir gleich im Speisewagen. Dieser hat den Flair längst vergangener Tage, wo noch viel mit Rundungen und Messingverkleidungen gestaltet wurde.
Bonn liegt nun nicht wirklich weit von Köln entfernt. Daher gestaltete sich das Einbringen des sehr heißen Kaffees in meinen Körper eher zur Tortur als zum Genuss.
Bonn:
Irgendwie hatte ich mir diese Stadt repräsentativer vorgestellt. Auf den ersten Blick ist es nur eine kleine Stadt, die in jedem anderen Teil Deutschlands genauso existieren könnte. Der Bahnhof hat eher Hinterhofatmosphäre. Alles schäbig und ein wenig schmuddelig. Ein gelungenes Entree sieht anders aus. Nach dem Wuseln durch den Tunnel eine kleine nette Altstadt mit vielen kleinen Geschäften und netten Lokalen. Wo ist hier die Hauptstadt der Vergangenheit? Schön ist das Spazieren am Rhein. Die Bäume färben sich mannigfaltig und schmücken die Uferbank.
Das hat schon was. Nicht unbedingt ausgenommen hauptstädtisch. Angekommen an den Rheinauen, wird es immer ländlicher, abgesehen von dem DHL Tower, der weithin sichtbar die Silhouette der Stadt bestimmt.
Interessant ist die Museums-Mile. Sehr moderne großzügige Architektur. Ein paar Leute wuseln, ob des schönen Wetters, die Allee entlang. Brennpunkt Bonn – hier nicht! Wir gehen in das Haus der Geschichte und lassen uns durch die wechselvolle Geschichte der deutschen Neuzeit führen. Bemerkenswert ist die Sicht auf den Ostteil Deutschlands, welcher hier so weit weg ist. Die Beschreibungen des damaligen Zustandes dort und die der friedlichen Revolution zaubern des öfteren ein Lächeln in mein Gesicht. Dadurch angeregt fragte die Führerin mich, wo ich den aufgewachsen sei.
Die Antwort bewegte sie dazu, mir freizustellen, einige Korrekturen in ihren Beschreibungen vorzunehmen, was ich aber dankend ablehnte.
Der Weg führt uns raus aus Bonn nach Königswinter.
Dort ein netter Spaziergang durch den herbstlichen Wald. Das einzige Café im Umkreis war schon lange kein Geheimtipp mehr. Andere Gäste sagen uns zum Auftakt: „Im Falle der Kellner kommt mit irgend was und fragt, wer dieses geordert hätte, schreit sofort ‚hier!‘, andernfalls werdet ihr bis zum Nimmerleinstag hier sitzen ohne etwas“. Wir hatte die Chance auf eine Waffel. Gaben diese aber weiter, weil wir eigentlich einen leckeren Kaffee trinken wollten.
Gegen 20 Uhr steigen wir in den ICE, welcher uns direkt zurück nach Berlin bringen sollte. Na ja. Es lief eigentlich alles gut an. In Hagen wurde ein zweiter Teil angekoppelt. Die Müdigkeit überkam mich und ich träumte von fernen Gestaden. Das Rütteln und Schaukeln des Zuges wird immer weniger, bis es ganz verebbt. Träume ich oder sind wir im Bahnhof? Ich träume nicht und wir sind mitnichten im Bahnhof. Irgendwo auf der Wiese. Irgendwo in Niedersachsen. Steht er da, der ICE. Schön gebaut. Deutsche Ingenieurskunst in Perfektion. Bei dem komplexen System passiert es schon mal, dass ein Gleis nicht frei ist. Ich mache mir keine Gedanken. Bald wird ein Zug von vorne kommen und weiter wird es gehen, denke ich. Ein Zug kommt. Er fährt an uns vorbei. Wir stehen. Wie ’ne 1. Ein weiterer Zug kommt. Wir stehen. Ein Zug überholt uns. Wir stehen. Es reicht! Was ist hier los? Im Nebenwagon sind die Zugbegleiter. Ich also hin. Sie erklären mir, dass ein Triebwagen defekt sei. Ich stellte die Behauptung auf, dass es doch möglich sein muss, mit den restlichen drei Triebwagen den Zug nach Berlin zu bringen. Es sei nicht wirklich ein Triebwagen kaputt, sondern die Verbindung zwischen den Zughälften hätte einen Defekt, sagen mir die Zugbegleiter. Dadurch sei nicht sicher, was der hintere Teil des Zuges mache. Ein Lächeln steigt in mir auf. Ist das nicht immer so? Gut, ich kann verstehen, dass sie so nicht weiterfahren wollen. Der hintere Teil könnte Vollgas geben, sodass der vordere die ganze Zeit hätte bremsen müssen, um nicht mit Überschall durch Deutschland zu donnern – Einflug in Berlin mit glühenden Rädern. Zweifellos ein großes Spektakel, auf welches ich aber als Fahrgast gerne verzichte. Also wie weiter? Sie wollen ein wenig rumfummeln und dann sehen wir weiter. Meine Hoffnungen auf ein paar Stunden Schlaf schwinden rapide. Ich verkünde erst einmal im Wagon, was mit der Aussage ‚auf der Strecke bleiben‘ eigentlich gemeint ist. Kein Aufschrei, keine Verzweiflung. Die müssen alle eine Bahncard haben. Nach weiteren 10 Minuten ertönte eine Ansage: „Wir versuchen, ganz langsam zum nächsten Bahnhof zu kommen. Dort lassen wir den hinteren Teil unseres Zuges stehen und fahren weiter bis Hannover“. Banges warten. Der Zug ruckelt an und schleppt sich schneckenschnell durch die finstere niedersächsische Ebene. Keine Laterne fliegt an unseren Fenstern vorbei. Alles, was zu erkennen ist, kommt sehr bedächtig; Erscheint im Fenster und wandert Zentimeter um Zentimeter weiter, um am Ende des Wagons aus unserem Blickfeld zu verschwinden. Wir halten erneut. Es ist kein großer Unterschied zu dem Fahren. So jedoch rückt die Zielankunft ins Unendliche. Erneut ruckeln wir los. Ich habe das Gefühl, die haben eine Draisine vorgespannt und die Leute haben gerade mal eine geraucht. Wir erreichen den Bahnhof Haste. In Berlin ist ja der Slogan ‚Haste nich jesehn‚ die Langform von ‚plötzlich‘. So plötzlich kam es auch wieder nicht. Haste hat einen Bahnsteig für die ganz kurzen Züge. Bei uns nannte man diese Ferkeltaxi; Auf deutsch ‚Schienenbus‚. Unser ICE ist unbestritten ein wenig länger. Nun kommt eine Durchsage: „Wir räumen den hinteren Teil des Zuges. Wagen 32-40. Alle müssen umsteigen in den vorderen Teil“. Beim ersten Teil der Ansage springen alle im Wagon auf. Dann setzen sich alle wieder hin. Wir sind nicht in den Wagennummern, die evakuiert werden. Ich schwanke. Mich dünkt, wir sind im hinteren Teil. Sehr verworren. Ich gehe also wieder zu den Zugbegleitern. „Ja, wir müssen raus!“, ist deren Antwort. Zurück im Wagen verkünde ich: „Packt alles zusammen. Wir müssen nach vorne“. Da nur 2 Waggons des Zuges am Bahnsteig stehen, ist es nicht möglich, die Türen vom Zugführer öffnen zu lassen (Er kann nur Alle oder Keine entriegeln.). Das Chaos, wenn alle Passagiere über die Gleise stolperten, wäre zu groß. Verständlich. So öffnet der Zugbegleiter unsere Tür manuell unter lautem Protest der Alarmanlage. Wir ziehen am Zug vorbei. Im Wagen vor uns sitzt noch alles friedlich. Alle im vorderen Teil haben gepackt und wollen aussteigen – aufgrund der falschen Durchsage. Nur eine Tür ist auf dem Bahnsteig. Halleluja, die Zugbegleiterin erkennt die Misere und ergreift beherzt das Kommando. „Alle so weit wie möglich nach vorne“. Ein Fahrgast wendet ein, dass da die erste Klasse sei. „Fühlt euch eingeladen von der Deutschen Bahn. Macht, dass ihr nach vorne kommt – Egal, welche Klasse“. Das wirkte und alle machten sich auf den Weg. Ich grübelte, wie lange es wohl dauern würde, bis der hintere Teil geräumt sei. Die meisten fühlten sich nicht bemüßigt, etwas zu unternehmen – dank der falschen Ansage. Ich habe ja nicht mehr geglaubt, jemals aus Haste (Kreis nirgendwo) rauszukommen. Tatsächlich schlichen wir uns aus dem Nest, nachdem wir 2,5 Stunden diese endlose Leere genossen hatten. Kurz vor Hannover, ja wir waren die ganze Zeit mehr oder weniger vor den Toren, kam die Durchsage, dass wir dort noch auf einen Zug zu warten hätten, der sich etwas verspätete. Noch einer? Diese Wartezeit betrüge 35 Minuten. Nun waren einige Mitreisende doch etwas erbost. Verbal griffen sie die Zugbegleiter an, in dem irrigen Glauben, diese wären der Bahnchef persönlich und könnten irgendetwas ändern. Hier ein Lob an die Zugbegleiter. Diese standen jedem freundlich und geduldig Rede und Antwort, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. So wich die Aufregung der totalen Resignation. Auf dem Bahnsteig in Hannover wurde mir dann bewusst, dass bei unserer Ankunft in Berlin um schätzungsweise 3 Uhr absolut nichts mehr fährt. Merde! Ich machte mal ein Versuch zu fragen, was wir denn in so einem Fall tun sollten. „Gehen sie zum DB-Punkt und holen sich einen Taxischein“. Ein Mitreisender bemerkte: „Toll, das ist dann ein Sammeltaxi und ich fahre noch eine Stunde durch Berlin?“. Ich entgegnete, dass dann die vierte Stunde voll sein würde, in der die S-Bahn wieder ihren Betrieb aufnehme.
Berlin 3:36 Uhr. Wir steigen aus und rennen zum DB-Point. Vor uns nur einer und eine verschlossene Tür. Ich bezahle das Taxi selber, war meine Entscheidung. Also wieder runter. Am Info-Point, das einzige was geöffnet hat, stehen hundert Reisende. Die können nur aus unserem Zug sein. Raus auf die Straße. Hundert Reisende und drei Taxis. Es entstehen spontan Diskussionen, wer wo hinfährt und jemanden mitnehmen könnte. Um diese Zeit habe ich keinen Nerv dafür. Rennen auf die andere Seite des Bahnhofes. Es kommt ein Taxi, aber es ist ein Mann vor uns. Das Taxi nimmt den vor uns nur mit, weil es seine Richtung ist. Eigentlich hätte er Feierabend und dürfte keinen mehr transportieren. Leider ist es die entgegengesetzte Richtung. Wir laufen los, um ein Taxi zu ergattern. Totenstille in Berlin. Wo sonst Taxis an Mass rumstehen – nichts. Wir laufen und laufen durch die Nacht. Alles schläft, außer uns. Die Siegessäule kommt näher. Bis jetzt haben wir zwei Autos gesehen. Zehn Meter nach der Siegessäule kommt uns ein Taxi entgegen. Jetzt brauch ich auch keines mehr. Wir laufen weiter. Tiergarten. Die erste S-Bahn fährt. Glücklicherweise nicht in unsere Richtung. Steigen in mein Auto und fahren nach Hause. 4:30 Uhr Ankunft. Ich hör jetzt auf. Muss dringend schlafen. 7:00 ist Aufstehen angesagt. Thänk ju vor träwelling wis Deutsche Bahn.
Bissel leid tun die mir schon. Es liecht nich am Will´n derer, die dit janze versuchen, am loofen zu hald´n. Aba diesmal mach ick dit erste Mal von meine Fahrjastrechte Jebrauch. Ick meen – Rückastattung! Fufzich Prozent, für keen Schlaf. Is doch jerecht, oda? Bonn´a notte.
? I like the beginning!