Beelitz Heilstätten 🇩🇪

Das Wetter ist ein wenig gemischt und wir wollen doch mal raus. Sozusagen vor den Toren der Stadt liegt ein Ensemble, welches uns schon lange reizte aber noch nie von uns besucht. Es geht nach Beelitz Heilstätten. 🌍Genauer die Reste der einstigen so fortschrittlichen Lungenheilanstalt für all die geplagten Berliner Arbeiter. Deren Lungen wurden doch arg strapaziert von all den Düften, die ein industrieller Schlot so hergibt. Hinzu kam ferner noch die Enge in den feuchten Berliner Mietskasernen, welche dem Übertragen von Infektionen doch äußerst zuträglich war. Schon Anfang 1900 gab es so etwas wie Krankenkassen. Diese waren etwas überfordert und so kam die fortschrittliche Idee zustande, etwas für die Gesundheit zu tun. Eine Klinik fürs gemeine Volk. Aber nicht nur diese Idee war für die Zeit weit voraus. Die Kur bestand darin, die geplagten Lungen mit Waldluft zu füllen. Dazu wurden Belüftungsysteme gebaut, welche diese durch die Hallen blasen. Auch geläufig die Liegekuren bei offenen – eigentlich eher – nicht vorhandenem Fenster. Gleichfalls unüblich für die Zeit war die Heizung. Kamine wären doch eher abträglich für das eigentliche Ziel des Aufenthalts. So baute man etliche Kilometer entfernt ein Kraftwerk, welches die Anlage mit Strom und Wärme versorget. Diese wurde in Tunneln, welche auch noch anderen nicht gewünschten Zwecken dienten (dazu kommen wir später) dem Komplex zugeführt.

Nach dem Niedergang des dritten Reiches nahmen die Russen hier Quartier, bis dann dieses Gebiet an den Westen fiel. Ab da wurden die Häuser unter Denkmalschutz gestellt und wechselten einige Male den Besitzer. Was in so kurzer Zeit mit soliden Bauwerken passieren kann, ist doch erstaunlich. Gibt mir aber auch Hoffnung, wenn es mit uns mal vorbei, dass unsere Hinterlassenschaften hoffentlich getilgt werden werden. Gut, alleine hat es die Natur zudem nicht geschafft. Erst waren da ein paar, die hier Abenteuer suchten – und eventuell auch einige Souvenirs. Folgend die gerne Feiernden, die Schrottsammler, welche der einen oder andern Wand des Stahlträgers Stütze nahmen…

Heute hat man einen Pfad hoch in den Bäumen gebaut, welcher ein wenig die Anlage bestaunen lässt.

Wir erklimmen zuerst den Aussichtspunkt.

Einen schönen Blick auf den in den Herbst startenden Wald. Dazwischen die Ruinen, welche noch den einstigen Glanz erahnen lassen.

Weiter führt der Weg. Mehr durch den Wald denn durch die Anlage. Ich meine natürlich den bebauten Teil, denn der Wald war doch schon ein essentieller Bestandteil.

Um auch für diejenigen etwas zu bieten, welche dem Adrenalin frönen, oder auch, um sie auf dessen Geschmack zu bringen, hatt man ein, zwei Exkursionen installiert. Hier weichst du ab von dem sonst so bestimmenden Weg und folgst einer vergitterten Röhre durchs Nichts. Viel freier fühle ich mich nicht. Eher die feingliedrige Bodenlosigkeit ist befremdend. Im Grunde ist die vermeidliche Grundlosigkeit das Verlockende. Ich kann nicht widerstehen.

Bei dem sogenannten Alpenhaus macht der Himmelspfad einen Schlenker und führet genau darüber. Ich bin fasziniert von des Weines Blätter Farben und in meinem Kopf kreist unterschwellig die Frage – warum Alpenhaus? – Wie in Trance gehe ich weiter und schneide den Faden zwischen Körper und Geist. Der eine Teil läuft weiter und mach Fotos. Der Andere denkt unentwegt, wo hier denn die nächste Erhebung sein könnte. Ganz zu schweigen über deren Abstand zur Normalen. Schon überrascht über die Glindower Alpen, erstaunte es mich hier umso mehr.  Wie entstand denn eigentlich der Begriff Alpen? Fingen die an der platten Küste an zu laufen und nannten dort ´ne Sandbank schon Alpen? Auf dem Weg in den Süden, in immer höhere Regionen vorstoßend und beim Anblick eines jeden Hügels perplex dazustehen mit dem Wort –Alpen– auf der Zunge? Stopp mal jetzt! Wir sind hier um uns das anzuschauen und nicht um in die Ferne zu schweifen. Wiedervereinigung von Körper und Geist. ☯️

Das Alpenhaus hatte das Ende des Krieges nicht ganz so rosig überstanden. Ein paar Fragmente einstig verbundener Stahlstücke, irrten durch die Luft und hinterließen so einige Blessuren am Gebäude. Die zwischenzeitlichen Bewohner konnten einer Renovierung nicht viel abringen, zumal sie nicht genau wussten, wie lange ihr Vertrag. Unzählig Strauchwerk versuchte sich gleich den Korallen. Millimeter für Millimeter nahmen sie es in Besitz und formten neue Grundlage für diejenigen, die nach ihnen kommen werden. Nur mal so nebenbei – an uns dachten sie am wenigsten dabei. Doch nun bin ich hier und irgendwie genieße ich auch, was sie geschaffen.

Auf dem Boden zurück starten wir noch eine Besichtigungstour durch drei Häuser. Nach dem Eintritt in den Park hast du schon das Recht den Hochweg zu nutzen und ein wenig rumzulaufen. Dicht an die Häuser kommst du allerdings nicht. Eine Tour ist unumgänglich. Der auf obigem Bild dargestellte Weg war auch einer derer zum Luftschnappen. Zur Zeit der Benutzung allerdings mit einem vor Regen schützenden Glas-Dach versehen.

Wir nähern uns dem Frauen-Pavillon. Da kommen doch schon bei dem Wort ein paar Assoziationen, die hier so ganz fehl am Platze – oder? Es ist ja immer noch eine Heilanstalt. Tatsächlich wurden Frauen und Männer strikt getrennt. Die Hygienevorschriften spielten dabei eher eine untergeordnete Rolle. Jedoch ist der Mensch durchaus erfinderisch in Situationen, welche ihm nicht belieben. Unter dem ganzen Komplex beheizte verbindende Tunnel – detaillierter muss ich es wohl nicht ausführen.

Einstig der Lunge Wohl zuträglich, heute eher das Gegenteil. Muff, Moder und Sonstiges steckt in jedem Winkel.

Klar nagte der Zahn der Zeit an diesem lauschigen Ort. Und doch auch damals, als er seiner Bestimmung nachkam, war eher nicht lauschiger als heut. Hier lagen nicht die Fröhlichen in Ermangelung einer zu tuenden Tätigkeit und frönten dem Leben. So ist es fast anzunehmen, heute schöner als damals.

Hier nun kommen wir in ein weiteres Behandlungszimmer. Was die nicht so alles damals probierten. Eh echt –  die haben ´ne Bierkur verschrieben. Welch BackfischIn träumte nicht davon? Allgemein bekannt war damals schon die Kalorienfülle eines Glases Bier und der Sinn bestand eher darin, dem Körper viel Kalorien zuzufügen, denn dem Geist den Alkohol. Ihr könnt euch vorstellen, wie ein jedes Experiment in dieser Richtung verlaufen muss. Irgendwie kamen auch die in Weiß Gekleideten auf die Erkenntnis, dass es durchaus einen Versuch wert, aber der Genesung nicht wirklich zuträglich.

Das nächste Haus ist das Labor. Schon vorneweg – hier ist nichts mehr zu sehen. Jedwedes Inventar, welches eines Versuchsleiters Fantasie erfreuen würd, ist Vergangenheit

Einzig der Seminarraum lässt noch erahnen, was hier stattgefunden. Doch auch hier möchte ich heut nicht sitzen und Irgendwem lauschen. Obgleich die Sonne ihre güldenen Strahlen übers Land schickt, ist es doch schon empfindlich kälter. Die Finger ständig am Auslöser der Kamera, spür ich schon kaum noch.

Das Dritte im Bunde unserer besuchten Häuser ist die Küche. Der Lack ist ab – trift den ersten Eindruck ganz gut. Doch die aus Brandenburger Ton gebrannten Ziegel lassen kaum erkennen, welch Geschichten sich hier abspielten. Da würd schon noch was gehen – mögen sie denken.

Im eigentlichen Herz der Küche wiederum ward ich bass erstaunt. Das Ganze transferiert in die Berliner Mitte, könnt sofort die Gäste locken. Sieht es denn anders aus in den  Fabrikstylehinterhofcafés?

Zu guter Letzt schlendere ich noch ein wenig umher.  Was ist denn das? Barbusige Frauen? Mich dünkte, wir sind in einer Heilanstalt. Ich grübele noch ein wenig und verlasse diesen Ort. Ach, ich mag diese Gebäude, die jedem etwas anderes erzählen. Hängt wohl von deiner Phantasie, deiner Aura oder deinem Draht zum Universum ab, was du hier siehst. Ist auch egal. Was und warum. Interessant ist es. Wie oft spielten wir, in meiner Jugend Tage, in Häusern, welche aufgegeben.  Immer mal wieder fand man ein Relikt der Bewohner vergangener Tage. Doch heute ist es kostengünstiger, alles wegzureißen, neuzubauen, als etwas zu bewahren. Klar befreist du einige Geister, die zuvor gefangen aber sonst?

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