Wir sitzen im Flieger und ich überlege, wie wir so reisen. Grade eben war ich noch auf Arbeit. Nachfolgend erledigten wir ein paar Reparaturen in der Wohnung, um plötzlich den Rollkoffer zu schnappen und mit ihm zum Flughafen zu fahren. Ich erinnere mich noch an den Start meiner Welterkundung. Dieser war nicht wirklich spektakulär. Mir fiel ein alter Schulatlas in die Hände. Ich blätterte in ihm und sah die unterschiedlichsten Formen der Länder, welche mit noch merkwürdigen Namen versehen waren. Bezeichnungen für Gebirge, Flüsse, Städte… Einfach faszinierend, was außerhalb meines Kinderzimmers so zu existieren scheint. Ich fuhr mit dem Finger die Linien nach und versuchte mir vorzustellen, wie es dort aussehen konnte. Da mein damaliges Konvolut an gesehenen Landschaften doch sehr begrenzt war, konnte ich die Welt nicht in der Vielfalt sehen, in der sie existiert. In meiner behüteten Gegend, die wahrlich beschützt ward, durch eines Mauers Undurchlässigkeit, sind nicht viele fremde Kulturen durch meine Kindheit gezogen. In den Büchern, die ich verschlang, war von gelben Chinesen, Rothäuten, Mohren, schwarzen Afrikanern, Menschenfressern, auf dem Wasser lebenden, und und und Menschen die Rede. Es war jedenfalls sehr spannend und unvorstellbar, dass ich jemals nur einen Teil davon sehen werde. Nun steig ich in den Flieger wie in einen Bus, als wenn es das normalste von der Welt ist, und fliege in ein Land, dessen Sprache mir immer ein großes Geheimnis bleiben wird.
Angekommen in CDG tingeln wir zum Bahnhof. In Frankreich versucht man auch Personal bei der Bahn einzusparen. So werden Fahrkartenautomaten aufgestellt. Prinzipiell sicher erst mal gut gedacht. Diese Automaten sind so anfällig, dass immer ein Angestellter dahinter steht und hilft, wenn die Kreditkarte erst beim dritten Start akzeptiert wird. Da lob ich mir die alte Reichsbahnzeit. Da saß eine nicht wirklich freundliche Dame hinter Glas. Du sagtest: „ein mal Berlin und zurück“, und erhieltest auf deine Wegbeschreibung die Ansage: „macht eins fünfzich“. Du legst dein Geld auf den Tresen und bekommst die Fahrkarte. So einfach kann das sein. Heute gehst du da zu dem Schalter und wirst gefragt nach Supersparpreis, Wochenendticket, flexible Rückfahrt, Mitfahrern, um es alles so billig wie möglich zu machen. Im Endeffekt bezahl ich dann aber doch 10 Mal so viel.
Zurück in Paris. Wir steigen in den Zug. GG erklärt mir gerade, dass in den nächsten Stationen Jugendliche mit zweifelhafter Zukunft kiffend in den Zug steigen werden, da kommt die Ansage, dass diese ein Direktzug sei. Etwas zwiespältig fühl ich mich, ob der Freude nicht ewig im Zug sitzen zu müssen, obgleich ich auch gerne mal in die reale Welt eintauche und diese nun missen werde. Angekommen am Nordbahnhof, suchten wir den Ausgang. Da sind viele unterirdische Gänge, bloß keiner führ nach draußen. Schrecklich. Ein Dunkelhäutiger sah unsere Verzweiflung und führte uns 10 Minuten zum Ausgang. Dort erklärte er uns auch den Weg zu der Straße, die wir ihm nannten. Da wir die Hausnummern nicht kannten, schickte er uns, na, was denkt ihr, in die falscheste Richtung. Also wir fanden die Straße am gegenüberliegenden Ende. Wir drehten um und schritten gemächlich die Straße entlang. Gut, dass wir vorsichtshalber ein paar Lebensmittel eingekauft hatten, welche wir nun stundenlang an den hungernden Obdachlosen vorbeitrugen. Nicht nur, dass ihre neidischen Blicke etwas verstörend für mich waren, auch das ständige Ziehen der Erde an den Tüten regte mich langsam auf. Wer hätte es gedacht – wir kamen wieder am Bahnhof vorbei. Danach noch ca 5 Minuten und wir waren in der Nähe unseres Zieles. Nun mussten wir nur noch das Haus finden. Nichts leichter als das. In Frankreich stehen ja zum Glück keine Namen an den Türen. So sollte es ein Leichtes sein. Jede Tür sieht doch fast gleich aus. Daneben sind Numerneingabefelder ähnlich wie beim Bankautomaten. Du tippst den geheimen Code ein und lauschst, ob die Tür ein verräterisches Klacken von sich gibt. Dann bist du richtig – ansonsten halt nicht. Ihr versteht nun, wie einfach es war. Wir geben in halb Paris die Nummern ein und schon hatten wir unser Haus gefunden. Nun kommst du durch die Tür und stehst in einem Art Vorraum. Die nächste Tür ist weiterhin verschlossen. In dieser Schleuse besteht die Möglichkeit, mit den Bewohnern des Hauses Kontakt aufzunehmen. Nach ein wenig rumsuchen entdeckte ich einen schwarzen Punkt. Wir hatten irgendwas am Schlüssel, dass so ein rfid-Ding sein könnt. Ich hielt es an die schwarze Stelle und die Tür ward offen. Ok, diese Hürde war geschafft. Im Fahrstuhl trat die nächste Frage zutage, beim Anblick der Etagenknöpfe. Welchen? Keine Namensschilder auch im Inneren. Mist, weg mit dem falschen Stolz – wir müssen unsere Gastgeber anrufen, bevor uns die Polizei wegen Eindringens in eine fremde Wohnung verhaftet. Gut – geschafft, wir sind da. Eine wirklich große Wohnung, wo man doch immer über die Zimmer in Paris hört, in denen man hochkant schlafen muss.
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