Die Nacht war etwas unruhig. Die Zeitverschiebung ließ es nicht zu, dass ich erst im Morgengrauen erwachte. Draußen ein ziemlich monotones Pfeifen alle 2 Sekunden. Irgendwelche Kreaturen hoffen auf Aufmerksamkeit. Nun werden sie sicher nicht schreien nach etwas zu essen. Revieransprüche könnten es sein oder Paarungsbegehren. Ich war wohl derjenige, der ihnen am meisten Aufmerksamkeit schenkte. Wollen die ein Kind von mir? Denken die, ich gehe in den Busch, um mein Revier zu markieren? Wie durchgeknallt sind die? Ich werd keines von beidem tun – also Ruhe da draußen! Obgleich ich ein profunder Liebhaber der Mannigfaltigkeit der Natur bin, manche Verwirrungen sind mir unerklärlich. Da half kein gütlich zureden. Ich stand es durch, bis da die Sonne sich entschied, dem ganzen ein Ende zu bereiten. Feige auch noch! Kaum ist es möglich sie ausmachen zu können, ist Ruhe. Ah, jetzt höre ich auch das Meer rauschen. Keine 50 Meter vor unserem Balkon. Ich schaue raus und sehe Roque, wie er die Bucht bewacht. Nicht schlecht. Mich zieht es an den Strand. Nach einem kurzen Moment gesellte sich meine Wandergefährtin zu mir und wir beschlossen einen kurzen Spaziergang zum und am Strand.
Es war toll. Fast menschenleer. Nur vereinzelt ein paar Jogger, die die morgendliche Kühle nutzten, ihren Körper in Schuss zu bekommen. Wir lassen unsere Schuhe am Zuweg zurück und spazieren los. Die Wellen brechen und schreien mir die ganze Zeit zu: „Spring schnell herein, wir umspülen dich!“ Es klang sehr verlockend und lange werde ich mich diesem sirenengleichen Gesang nicht widersetzen können. Der Strand zieht sich fast endlos in einer sanften Kurve dahin. Die Palmen recken sich gen Meer um ihres Leibes Frucht in dasselbige zu werfen. Sie spenden kühlenden Schatten. Schon jetzt wird es sehr warm. Die Sonne hat noch nicht mal richtig den Schlaf aus den Augen und brutzelt mich schon wie ein Hühnchen in den hier unzählig vorkommenden Grills. Der Spaziergang wird, ob der Natur in der ich mich verfange, länger als geplant. Ein kleines Hüngerchen macht sich bemerkbar. Zurück an unserem Weg – die Schuhe sind weg. Merde. Das hätte ich nicht erwartet. Gleich am ersten Tag. Ich will mir damit nicht den Urlaub verderben und hake sie kurzerhand ab. Am Eingang zu unserer Unterkunft stehen sie fein säuberlich aufgereiht in einem Regal. Nicht nur unsere, sondern alle die da am Strande abgestellt waren. Da war aber einer sehr fürsorglich. Ich verurteilte meinen ersten Gedanken.
Gut was machen wir heute? So richtig akklimatisiert sind wir noch nicht. So entscheiden wir uns gegen eine große Wanderung. Erst mal ins nächste Nest. Mal schauen, wie es dort aussieht. Gesagt, getan. Eins schmale Straße ringelt sich den Berg an, gibt einen grandiosen Blick auf Roque frei, und schlängelt sich runter zu einer kleinen Bucht. Hier ist alles sehr beschaulich. Anses d’Arlet – Petite Anse
Der Strand ist nicht ein solcher, der Massen von Touristen anlockt. An der kurzen Promenade stehen Bäume und unter ihnen die Boote der Fischer. Nichts ist besonders aufgeräumt. Nichts ist verschönt. Es ist genau so, wie es für die Fischer am praktischsten ist. Ich mag es sofort. Jetzt bemerke ich die Weihnachtskugeln, die in diese Bäume gehängt worden sind. Ein Schmunzeln weck es in mir. Hier an diesem Strand, die Sonne scheinend, kommt mir Weihnachten weiter denn je vor. Sonst ist hier nichts los. Das einzige Restaurant – die Tische stehen verwaist in der Sonne. Ich bin mir sicher, heute Abend brennt hier die Luft. Meine Aufmerksamkeit wird durch einen Haufen dieser Riesenmuscheln gefangen. Solche, von denen jedermann träumt zu finden, wenn er mit seiner Liebsten des Morgens an einem einsamen Strand entlanggeht und das türkise Wasser die Füße umspült, gleichzeitig die Spuren im Sand für immer verwischend. Ich überlege kurz, mir einfach ein Exemplar zu stibitzen. Die benutzen diese Muscheln, um ihre Krabbenkörbe zu beschweren. Ökologisch ja einwandfrei. Beruhigend auch, dass noch nicht alles zu Geld gemacht wird.
Wir ziehen weiter zur nächsten Bucht. Les Anses-d´Arlet. Es ist ein wenig urbaner hier. Die kleine Bucht ist gesäumt mit schattenspendenden Bäumen. Einige Lokale zieren den Uferstreifen. Ein nur etwas aus dem Wasser ragender Felsen mitten in der Bucht. Er lockt die Schnorchler der Umgebung an. Ich bin sofort begeistert. Hier ist also der Ort, wo mein neuer Schnorchel ausprobiert wird. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und bereiten uns auf unseren Tauchgang vor. Etwas einfacher gesagt, Badehose an und Schnorchel in den Mund. Los gehts. Das Wasser ist klar. 10 Meter vom Ufer entfernt werde ich von kleinen Fischen umringt. Total süß. Es scheint, ich hab einen neuen Schwarm gefunden. Wir machen uns auf ins Meer. Wie so oft in kulturfremden Gruppen fall ich sofort auf durch Nichtbeachten der Richtungssignale. Alle schwimmen nach rechts und wer tanzt aus der Reihe? Ich! Mein Schwarm schaut mich mit großen Kulleraugen an.
Ich zucke mit den Schultern und denke: ›Tut mir Leid. Hab nicht aufgepasst.< Mir wird verziehen und gleichermaßen ziehen wir weiter. Ich sehe einen großen Fisch, der sofort meine Aufmerksamkeit erregt. Mein Schwarm dreht ab – ich nicht. So schnell kann es gehen. Mein Schwarm hat offensichtlich die Hoffnung aufgegeben und sie lassen mich fallen. Na nicht fallen. Sie lassen mich einfach alleine im offenen Meer und zeigen mir die kalte Flosse. »Eh!« ruf ich ihnen nach. »Ich hab mich echt bemüht.« Integration ist nicht so einfach, stelle ich fest. Nun ohne Halt der Familie erkunde ich den Felsen. Überall sind Fische daran, die Oberfläche zu reinigen. Sie schwimmen da nicht rum mit einem Eimerchen und Wischtuch. Nein, sie fressen den Bewuchs. Eventuell ist das auch der primäre Grund, warum sie das tun. Ich wag mich nach meinem gescheiterten Schwarmexperiment nicht mehr so weit aus dem Fenster.
An einem der kleinen Lokale wurde unser größter Hunger gestillt. Der Bedienung würde ich nicht nachts begegnen wollen. Wir aßen allerlei kreolische zubereitete Speisen. Alles sehr lecker, aber auch füllend. Aus unergründlichen Anlass beschließe ich die nun unbedingt anstehende Siesta im nächsten Ort auszuführen. Wir fahren nach Grande Anse. Hier gehen die Grundstücke bis 5 Meter vor die Meereskante und werden dort mit einem Zaun markiert. Kein noch so kleiner Zweig eines Baumes ragt über diese. Ein 5 Meter breiter Streifen heißen Sandes in voller Sonne. Ich finde es absolut uneinladend. Die Bucht ist mit großen Katamaranen bestückt, welche im türkisen Meer dümpeln. Hier regiert eindeutig nicht das Lächeln das Leben, sondern das Geld. Ich will weg. Am Wegesrand steht ein Schild zur Anse Noir. Ich folge diesem sofort. Es geht eine sehr schmale Straße entlang, erst den Berg hinauf und dann den selbigen wieder hinunter. Eine kleine gemütliche autofreie Bucht eingeschlossen zwischen Felsen spricht mich sofort an und ich beschließe: ´Siestatime´. Anse Dufour
Es ist nett. Ein Lokal direkt am Strande verbreitet den Geruch von heißem Frittierfett. Es stört mich nicht. Wir liegen unter einer Palme, schauen aufs Meer und schließen die Augen. Jetzt fühle ich mich wieder wohl. Wir sitzen hier noch ein wenig herum und lassen der Uhren Zeiger tun, was immer sie wollen, ohne dem Beachtung zu schenken.
Weiter der Straße folgend kommen wir nach Les Trois-Ilets. Das, was ich von dieser kleinen Stadt berichten kann, ist irgendeine Festivität in der kleinen Kirche, wo alle eingeladenen Gäste sich sehr aufgedonnert hinbegeben.
Zurück in unserer Bucht halten wir an der Mole. In einem kleinen Lokal am Strande lassen wir uns einen Planter servieren. Eigentlich gibt es hier keine Cocktails. Die Bedienung ist aber sehr flexibel. Wer weiß, wo sie das Teil herhat.
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