Es steht an. Ich fahre zum ersten Mal TGV. Das Sinnbild für Frankreichs Technique. Bei uns würde es ein wenig komisch klingen, einen Zug so zu benennen. Also Zug große Geschwindigkeit. Im Sprachgebrauch eher: ´Zug ganz schnell´, und deutsch würde es werden mit: sehr schneller Zug´. Klingt nicht gut, ist zu profan, beschreibt genau das Objekt, und außerdem muss alles englisch sein. Da kommt dann so was raus wie Train super speed. Real verwenden wir doch lieber ´Express´ bis zum Erbrechen.
Wir haben einen süperb Sparpreis erster Klasse ergattert. Dazu ist es notwendig, diesen Fahrschein auszudrucken oder ihn am Bahnhof abzuholen. Da wir keine große Ãœberraschung erleben wollen, taten wir dieses am Vortage. Die persönliche Betreuung ist, wie auch in Deutschland, sehr zurückgefahren. Der Automat steht bereit. Das kann ja nicht so schwer sein. Wir geben also am Begrüßungsbildschirm –Reisedokumente abholen– ein. Nun wirst du nach deiner Buchungsnummer gefragt. Im nächsten Menü kommt die Frage nach deinem Namen. Ich weiß ja, wie ich heiße. Der Automat akzeptiert es nicht. Auch GG ist nicht bekannt. Zwischendurch möchte ich noch erwähnen, dass die Bedienung des Touchscreens sehr gewöhnungsbedürftig ist. Die Scheibe ist weit vom Bildschirm entfernt. Bist du etwas größer als ein Zwerg, ändert sich der Blickwinkel und so musst du ein B drücken, wenn du ein G eingeben willst. Wir probieren alle Variationen und plötzlich akzeptiert er. Zu früh gefreut. Der Automat verkündet stolz, dass er die Buchung gefunden hat, diese aber nicht durch den Menüpunkt –Reisedokumente abholen– eingelöst wird, sondern durch – Bestätigung und Memos drucken-. Und Tschüs. Alles noch mal von vorne. Kann der nicht einfach einen Fahrschein ausdrucken, wenn er schon weiß, was wir wollen? Aber nee. Irgendwann kam dann der Fahrschein raus. So nun noch die Rückfahrt. Alles vergeblich. Wir existieren nicht. Total genervt gehen wir zur Kundenbetreuung und werden informiert, dass diese Buchung ein iDTGV-Ticket ist und wir es selber ausdrucken müssen. Hier geht es nicht. Es kann auch nicht per Mail zugeschickt werden. Wenn wir keinen Ausdruck haben, müssen wir Strafe zahlen. Gehts noch? Wir haben Hin- und Rückfahrt zusammen gebucht. Bei all dem Fortschritt – eTicket nur mit Papierausdruck? Wenn das immer so lange dauert, ein Ticket für den TGV zu bekommen, kann man auch gleich mit dem Regionalexpress fahren. Zeitlich kommt es dann aufs selbe heraus.
5:15 Uhr aufstehen. Dazu brauch ich wohl nichts weiter zu sagen. Wir können mit dem Bus oder mit dem Fahrrad zum Bahnhof. Ich bevorzugte ja das Fahrrad, weil ich nicht weiß, ob der Bus pünktlich kommt, zumal es der erste des Tages ist. GG hätte lieber den Bus. Am Fahrradständer keine Fahrräder. Wir die Straße runter zum nächsten und der Bushaltestelle. Der Bus ist nicht in Sicht. Fahrräder sind da. Also die gewohnte Nummernprozedur. Auch hier – wenn du dich mal vertippt hast – alles von vorn. Wir radeln durch das morgendliche Paris. Es ist noch nicht viel los. Am Bahnhof angekommen, haben wir noch immer nicht unseren Bus gesehen gehabt. Fahrrad war wohl die richtige Entscheidung. Jetzt noch ein Croissant für unterwegs – wir haben noch 15 Minuten. Wie erwartet, wird das nichts. 3 Chinesen vor uns und bei jeder Aussage wird diskutiert. Es kann doch nicht so schwer sein, mit dem Finger auf ein Stück Gebäck zu zeigen und dann das Geld auf den Tresen zu legen.
Komischerweise wird beim Einstieg in den Zug nicht an Personal gespart. Vor jeder Tür steht jemand und heißt einen willkommen. Das erinnert wirklich an die gute alte Eisenbahnzeit.
Aus dem Bahnhof geht es über hunderte von Kreuzungen und Weichen eher bedächtig. In mir wächst die Spannung. Wann kommt endlich grande vitesse? Langsam werden die gefahrenen Kurven weiter. Das Gleisbett wird ruhiger und kaum merklich nimmt die Geschwindigkeit zu. Die Nebengleise verschwinden schlängelnd in der Landschaft. Wir sind allein. Das Gleis ist frei. Der Kurven wenige. Es geht los. Die Landschaft fliegt immer schneller an uns vorbei. Kein Ächzen, kein Schnauben. Kein, auf Teufel komm raus, schaufelnder Heizer! Fast lautlos schießt er durch die Landen. Der TGV. Dem Ziel entgegen. Und ich darf dabei sein. Toll!
Auch wenn der Zug sehr schnell ist, dauert die Fahrt doch länger als 5 Minuten in Anbetracht der Kilometer. Schaut man aus dem Fenster, wird einem schnell bewusst – ja, hier ist alles schnell? – wie unterschiedlich in Frankreich und Deutschland an das Thema schneller Transport herangegangen wurden. Meistens sehe ich Bäume Sträucher, Wiesen und Felder. Städte und Häuser eher aus der Ferne. Sie haben hier extra grade Gleise durch die Landschaft geschlagen, welche nur für diese Gattung des Zuges reserviert sind. In Deutschland fährt der ICE auf den alten königlichen Reichsbahnrouten noch durch jede noch so kleine Gemeinde. Auf den gleichen Gleisen verkehrt alles. Von der Draisine bis zum ICE. Da braucht es schon eine umfangreiche Logistik und Technik, das hinzubekommen. Welches die bessere Lösung ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Ankommen in Aix. Der Bahnhof ist nicht in der Stadt. Im Shuttle zur Stadt herrschen 17°C. Hätte nie gedacht, dass ich hier meine Jacke brauche.Die Stadt ist auf jeden Fall wärmer. Mir qualmen die Socken. Es gibt viele verwinkelte kleine Straßen und auch viele Alleen mit alten Bäumen.
Prinzipiell ist die Altstadt überschaubar. Also nicht so eine Stadt, die dich total erdrückt. Zum Essen suchen wir uns ein kleines Restaurant, welches nur ein paar Tische hatt, die vornehmlich von Einheimischen besetzt sind. Der Wirt kennt alle persönlich, außer uns. Wir haben es genossen und fanden es viel besser als die Touristen Abfertigungshallen. Es ist komisch. Ich bin hier eigentlich nicht mit dem sonst so meist vorherrschenden Gedanken eines Besuchenden aufgeschlagen. Dieser Teil der Welt wird in naher Zukunft ein Teil zu Hause sein.
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