Der Tag X 🇦🇷 (30)

Argentinien [Tierra del Fuego]

Ushuaia(Ar) Matrimonio

Joe: Ja irgendwie ist dieser gerade erst angebrochen. Das heißt, es ist null Uhr null und paar zerquetschte. GG. beschäftigen gerade so viele Dinge, dass sie nicht einschlafen kann. 1. Wo sind wir hier eigentlich? Ich sagte ihr, dass Moskau (55°45’N) nördlicher ist als Ushuaia südlich. GG.: “Kann ich ja gar nicht glauben. Hier ist doch die Antarktis vor der Tür.” Also Licht an, iPad raus, GPS Koordinaten von allen uns bekannten Städten raussuchen und vergleichen. Könnt ihr sicher verstehen. Ihr macht das bestimmt jede zweite Nacht. Es ist tatsächlich so, dass die Breitengrade von Berlin (52°31’N) und dem Ende der Welt (54°48’S) sich nicht wirklich unterscheiden. Diese Erkenntnis beunruhigt mich auch irgendwie. Mit Überlegungen, was ich daran ändern könnte, versuche ich einzuschlafen. (🇬🇧 translate article)

Alles in allem eine unruhige Nacht. GG. hat eine viertel Stunde zu wenig Schlaf, dafür wissen wir jetzt, wo wir sind.
Raus unter die Dusche – Frühstücken – Schampus kaufen – Frisör (das ganze weibliche Personal wollte nicht ran, als GG. ihre Wünsche bezüglich des Aussehens ihrer Frisur äußerte. Ein stämmiger tätowierter Argentinier: »Setz dich hin Señora, das bekommen wir schon hin«) – Ring abholen.

20150304-000-ushuaiaar-friseurWir haben noch eine halbe Stunde. Was tun? GG. steht in ihrem Kleid herum und es ist ein wenig kalt. Die Sonne strahlt in aller Pracht, doch der Wind bringt eisige Polarluft übers Land. So hoffe ich, ihre Gänsehaut kommt daher und nicht von dem bevorstehendem Ereignis. Setzen uns in ein Café und trinken Schokolade.

Nun gehts los. Fahren zur Autovermietung, um unsere Trauzeugen abzuholen. Facundo ist grade dabei, ein Auto zu waschen. Als er uns sieht, lächelt er, schmeißt den Lappen in den Eimer, wuschelt sich das Haar zurecht und ruft: »uno secundo«. Er kommt mit seinen zerrissenen Jeans an: »andiamo«. Wo ist Luciana? Kein Problem, sie wartet vor dem Trausaal. Wir also quer durch die Stadt. Freuen uns, dass wir einen Parkplatz genau gegenüber bekommen. Wir sind genau in der Zeit. Auf der Treppe steht Luciana und zeigt auf einen Aushang. ◊Alle Hochzeiten für den heutigen Tag finden in dem Registro Civil statt.◊ Oh mein Gott!

Wir alle wieder rein ins Auto und quer durch die Stadt. Dort angekommen, werden wir wie immer begrüßt. Ein breites Lächeln, Umarmung und Küsschen. Ja hier bin ich zu Hause. Ich wollte nur mal kurz in Erinnerung rufen, dass das hier ein Bürgeramt ist. Claudia: »Nee – nee – nee, die Hochzeit findet im Trausaal statt.« Ich verstehe gar nichts mehr. Ein kurzer Anruf auf die gegenüberliegende Seite der Stadt, und uns wird bestätigt, alle warten schon auf uns. Wir verabschieden uns von unserer neuen Familie mit Dankesworten und dass das wohl unser letzter Besuch gewesen sein. Wir bekommen viele Glückwünsche mit auf den Weg. Also wieder zurück. Das Auto quetschen wir irgendwie an die Straße. Facundo sagt, es geht. Ist ja quasi seins. Also rein. Unsere Herbergsmutter ist da. Sie macht ein paar Fotos und übersetzt einiges ins Englische. Irgendwann muss ich sagen: »sí, quiero« GG. musste es auch noch sagen, dann waren wir durch.

Nun sollten wir den Vertrag unterzeichnen und von unseren Zeugen bestätigen lassen. Die Ringe wurden irgendwie vergessen.  Alle waren durcheinander. Irgendwie genau mein Ding. Haben die Ringe getauscht und uns auch noch geküsst. Fertig.20150304-042-ushuaiaar-matrimonio2Die Überraschung war diese, dass wir noch einmal ins Registro Civil mussten, um die Urkunden abzuholen. Standesbeamtin: »Ihr kennt das ja – klopft einfach bei uns an. Bis 16:00 Uhr sind wir für euch da.«
Im Trausaal gab es keine Möglichkeit wie auch keine Gläser, auf das Ereignis anzustoßen. Die extra gekauften Flaschen Champagner mit dem schönen Namen. ◊Ende der Welt◊ konnten wir somit nicht ihrer Bestimmung zuführen. Wir haben unsere Trauzeugen zum Essen eingeladen. Könnte man da eventuell die Flasche köpfen? Klar, wir sind ja hier in Argentinien. Diese Kneipe wollte aber für diesen Gefallen 7 € haben, weil es der Kellner macht. Egal, wir stärken nun noch die argentinische Wirtschaft.

20150304-058-ushuaiaar-matrimonio_essenZwischendrin möchte ich mal bemerken, dass wir für die Dienste des Registro Civil oder des Hospitals keinen Peso bezahlt haben. Weder für Kopien, noch für die Dokumentausfertigung. Selbst für die Nutzung des Saales, wie angekündigt war, ist nichts verlangt worden. Na ja, die werden uns noch eine Weile in Erinnerung behalten. Hoffentlich positiv. Insgesamt hätten wir es durch ihre großzügige Einsatzbereitschaft und persönliches Engagement nicht geschafft. Alle Beteiligten sind sicher auch irgendwie erfreut, es trotz aller Widrigkeiten geschafft zu haben.

Nach dem Essen sind wir noch ein letztes Mal zum – klaro – Registro Civil. Ein letztes Umarmen und Glückwünsche. Vielen Dank. Ich werde es vermissen.

Was nun? Der Tag war noch nicht rum. Wir hatten alles erledigt. OK, wir gehen zur smaragdenen Lagune. Angepreist als 4-Stunden-Wanderung, schafften wir diese in 2:40. Dabei haben wir uns nicht mal wirklich beeilt und viele Fotopausen gemacht. Der Weg ist echt sehr abwechslungsreich.

Ushuaia(Ar) Laguna Esmeralda

Moose und Flechten, Bauten von Bibern, kleine Tümpel, umrahmt von Sträuchern, Wald und alles eingefasst von Bergen, teilweise bedeckt mit Schnee. Es war angenehm und still. Der Untergrund war sehr weich.

Wir kamen langsam wieder runter. Komisch, wir haben es getan und es ist im Prinzip jenauso wie davor. Irgendwas muss doch anders sein? Egal muss ja auch nicht. Ist ja gut so.

Zurück in Ushuaia mussten wir in ein anderes Hotel einchecken, da unsere alte Unterkunft nichts mehr frei hatte. Ist wirklich ein nettes, schönes Hostel.

Sind noch mal Downtown in einen Irish Pub. Urige Stimmung. Leute, die länger als nen halben Tag hier sind, trifft man dort. Le monde est petit.

Ushuaia(Ar)


Edit 03.03.2022:

Heute nun ist die Ehe auch in Deutschland legalisiert. Anders wie von uns verstanden, muss diese beim Meldeamt eingetragen werden. Beim  Standesamt nicht. Aufmerksam machte uns die Steuerbehörde. 6 Jahre akzeptierten sie unser zusammen veranlagte Erklärung, bis dann der Bearbeiter wechselte. Bei jedem, welcher einmal mit ein amtliches Schreiben bekam, stellt sich so ein bedrückendes Gefühl ein. Ich mache es im Gegensatz zu der Liste der beizubringenden Dokumente kurz. Eine Apostille war selbst mit Zuhilfenahme der beiden Botschaften – des elektronischen Dokumentenverwaltungssystems und einer beauftragten Firma in Argentinien nicht zu beschaffen.  So ging ich mit gemischten Gefühlen und einem dicken Ordner mit all den Dokumenten und E-Mail Ausdrucken zum Amt. Nach Übergab des Originals der Heiratsurkunde wurde ich gefragt »Sie wissen aber schon, dass das hier eine deutsche Behörde ist« Wortlos zog ich die beglaubigte Übersetzung heraus. Sie schaute kurz drauf uns sagte »Sie haben 2015 geheiratet – gute Idee jetzt zu kommen« Ich entschuldigte mich und erklärt kurz die Situation. Folgend fragte sie nach der Apostille. Ich fing an zu erklären, wen ich alles eingeschaltet habe um diese zu erlangen  Sie winkte irgendwann ab und fragte nur »Sie haben also keine Apostille?« Ich sagte, dass ich ihr die ganze Konversation mit Konsulat, Standesamt, Botschaft … zeigen kann. Sie meinte dazu nur »Das ändert es auch nicht« Ich sah mich schon gehen. Sie sagte, dass sie mal kurz zur Chefin rüber geht um das absegnen zu lassen. Sie kam zurück und legalisiert unsere Ehe. Kein weiteres Dokument wurde gefordert. Ich glaube, wir waren beide froh, es erledigt zu haben und ich verabschiedete mich herzlich.

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